Sonntag, Juni 12, 2011

Lesermail: Vom "lila Pudel" zum Männerrechtler

Normalerweise veröffentliche ich in diesem Blog keine Mails, die vor allem aus positivem Feedback zu meiner journalistischen und politischen Arbeit bestehen. Das wirkt leicht wie Selbstbeweihräucherung und bringt dem Leser wenig bis nichts an neuen Erkenntnissen. Für eine Veröffentlichung geeignet finde ich aber die folgende Zuschrift wegen der darin ausführlich geschilderten biographischen Entwicklung des Verfassers:

Lieber Herr Hoffmann,

ich lese gerade Ihr »Männerbeben« und freue mich sehr, dass das Erscheinen eines solchen Buches heute möglich ist. Ich bin dreieinhalb Jahre älter als Sie, nach sozialwissenschaftlichem Studium in der IT-Branche tätig, geschieden, zwei Kinder, und die Thematik, die Sie sehr überzeugend und aufschlussreich verhandeln, begleitet mich mein ganzes Leben. Ich werde Ihnen das hier und jetzt nicht im Detail auseinandersetzen, aber ich denke, dass ich ein recht typischer Betroffener weiblichen Abwertungsverhaltens bin.

Zunächst das Opfer einer Mutter, die selbst das Opfer eines Lazarett- und Hungerlager-Wracks des Zweiten Weltkriegs gewesen ist, sowie eines duckmäuserischen Vaters, der den Psychoterror, der in meinem Elternhaus von meinem ca. zwölften bis zwanzigsten Lebensjahr von der Mutter ausgeübt wurde (ohne dass diese Mutter übrigens im ideologischen Sinne Feministin gewesen wäre – sie wär einfach Lehrerin mit ausgeprägtem Hang zur Besserwisserei), ohne den Hauch eines Aufbegehrens entschuldigt und gerechtfertigt hat, sodann zehn Jahre lang (bis zum Ende meines Studiums) vollständig beziehungsunfähig, weil ich mit einer vollständig ruinierten männlichen Selbstachtung ins Erwachsenenleben gestartet bin. Zeitweise Angehöriger einer profeministischen Männergruppe – vom Typ lila Pudel, weil es damals schlicht nichts anderes gab, wenn man sich mit männlichen Identitätsproblemen auseinandersetzen wollte, und im Umfeld sozialwissenschaftlicher Fachbereiche natürlich mit dem Piranhabecken des lokalen Radikal- und weniger Radikalfeminismus zwangsläufig vertraut.

Anschließend zehn Jahre Ehe (und zwei Kinder) mit einer Osteuropäerin, die sehr stark zwischen Anhänglichkeit und emotionalem Terror changierte – aber hier zumindest am Ende eine konstruktive und einvernehmliche Trennung nach Mediation mit hälftig geteilter Zuständigkeit für die Kinder – also immerhin kein abservierter Vater und ein konstruktiver Umgang mit der Ex. Aber auch in dieser Zeit zeitweise Mitglied eines Elterninitiativkindergartens, in dem eine milde (eher mitleidige) Form der Männerverachtung recht verbreitet war – so in der Art »(Stoßseufzer) Wir wissen ja, dass die Männer nichts taugen, aber wir mögen sie trotzdem und arrangieren uns halt damit.«

Das, was sie in Ihrem Buch beschreiben, gehört für mich somit seit knapp fünfunddreißig Jahren zum biografischen Hintergrundrauschen – so lange, dass ich fast nichts anderes kenne und eigentlich immer nur private Nischen gefunden habe, um das einigermaßen abzuwettern. Die (Wieder-)Gewinnung meiner zuerst familiär beschädigten und sodann kontinuierlich unter »kultureller Last« stehenden männlichen Selbstachtung ist für mich ein Lebensthema, das nahezu meine gesamte Biografie eingefärbt hat – und auch jetzt wieder eine Rolle spielt, da ich erst einmal eine neue Partnerin finden muss, die in der Lage ist, einen Teilzeitvater zu verkraften, dessen Loyalität zu erheblichen Teilen den eigenen Kindern gehört.

Ich freue mich auch, dass Sie eine gemäßigte Position zum Thema einnehmen und nicht Radikalismus mit Radikalismus zu vergelten suchen – die moderne Gesellschaft ist von Anfang an eine, die vom Thema der Emanzipation getragen wird, und diesem »Projekt« fühle ich mich verpflichtet, auch wenn die Frauenbewegung ihren emanzipatorischen Impuls mittlerweile erschöpft hat und zu einem reaktionären Establishment degeneriert ist.

Und jetzt schicken Sie mir doch bitte noch Ihre Kontoverbindung, denn Ihr erstes Buch zum Thema hätte ich gerne auch noch. Und falls Sie ein weiteres Buch zum Thema schreiben, werde ich das blind im Handel vorbestellen.