Freitag, Oktober 15, 2010

Die Medien und das Feindbild Islam

Silke Wortel hat für den WDR Bernd Sommer interviewt: einen wissenschaftlichen Mitarbeiter am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) mit den Schwerpunktthemen Rechtsextremismus, Rassismus und Populismus. Einige Auszüge aus Sommers Anmerkungen zur aktuellen Mediendebatte:

Es gab keinen neuen Integrationsbericht, der besonders alarmierend gewesen wäre. Es gab keinen vereitelten Anschlag in letzter Zeit oder einen dramatischen Ehrenmord, den die Medien sich als Anlass genommen hätten. Es war lediglich das Buch, das von zentralen Medien populär gemacht wurde. Auch, wie dort das Thema eingeordnet wurde, ist bemerkenswert. Da war meist zu hören, dass Sarrazin "für seine Thesen zum Thema Integration" kritisiert wurde. Das war aber nicht die Kritik. Die Kritik richtete sich gegen den rassistischen Kern seiner Thesen. Ihn als jemanden zu bezeichnen, der wegen seiner "Thesen zur Integration" kritisiert wird, verfälscht die Debatte, weil es den Anschein erweckt, dass es da Themen gibt, die nicht offen angesprochen werden dürfen.

(...) Vor einigen Jahren waren es "die Türken" oder "die Asylanten" und "das Boot ist voll". Heute wird von "den Muslimen" gesprochen. Es meint aber das gleiche, nämlich die Auffassung, dass es ein Zuviel gibt, dass eine bestimmte Bevölkerung gegenüber der Mehrheit zunehmend die Überhand gewinnt. Das sind Ressentiments, die schon lange existieren. Derzeit erleben wir eine Mischung aus alten Ressentiments, die jetzt in neuer Form auftreten, und einer falsch verstandenen Islamkritik. (...) Was den Diskurs um den Islam so unübersichtlich macht, ist, dass die Ressentiment-Geladenen die Gelegenheit bekommen, ihre Ressentiments zu veredeln. Sie können sagen: Ich bin gegen den Islam, weil ich nicht gut finde, wie der Islam die Stellung der Frau sieht. Oder ich bin gegen den Islam, weil Schwule in islamisch geprägten Ländern diskriminiert werden. So werden Ressentiments rationalisiert und legitimiert. Da gibt es ja ganz spannende Verbindungen von feministischer Seite wie Alice Schwarzer bis hin zu Henryk M. Broder oder Ralph Giordano, die das Islam-Thema nehmen und Allianzen bilden, die man sich vor ein paar Jahren gar nicht vorstellen konnte.


Hier findet man das komplette Interview.