Donnerstag, September 16, 2010

"Da geht die Demokratiesirene an"

Die aktuelle Sarrazin-Debatte ist ein Fall für den Sozialpsychologen findet "Die Zeit" - und hat Recht damit. Der von ihr interviewte Sozialpsychologe Harald Welzer hat Statements zu bieten, denen ich nur zustimmen kann. Einige Beispiele:

Ich verstehe einfach nicht, warum der rassistische Kern des Buches so schnell aus der Debatte verschwunden ist. Jetzt wird nur noch über die Skandalisierten gesprochen, in diesem Fall die Muslime. Der eigentliche Skandal, zum Beispiel dass ein renommierter Verlag nur des Marktes wegen ein im Kern rassistisches Buch veröffentlicht, wird vergessen.


Was laufend erstickt wird, sind die Versuche, selbst zu denken. Es gibt eine starke Tendenz zu vorgestanzten Redeformaten, an denen die 68er mit ihrer Rechthaberhetorik sicherlich nicht unschuldig sind. Man darf ein paar Dinge einfach nicht denken. Wenn sich diese Korrektheitsoberfläche an der Wirklichkeit bricht – also am Lehrer etwa, der aus einer Problemschule mit hohem Migrantenanteil erzählt – dann entsteht so etwas wie ein verengter Raum des Sagbaren. Das ist durchaus ein Problem. Das Blöde ist nur, die Menschen empfinden diese Erstickung oft an der falschen Stelle.


Wenn wir schon über Migration diskutieren, warum nicht anhand dieses Buches von Kirsten Heise, das ein ganz anderes Niveau hat und dem auch eine ganz andere Empirie zugrunde liegt?


Wir sind zwar nicht im optimalen Zustand einer Demokratie, aber wir haben immerhin noch eine freiheitliche Gesellschaft und einen enormen Reichtum. Gleichzeitig haben wir auf nahezu jeder gesellschaftlichen Ebene enorme Handlungsspielräume, um uns einzumischen und etwas zu verändern. Niemand hat in Deutschland Möglichkeiten, die gegen Null gehen. (...) Jeder sollte sich fragen, was er anders machen kann, im Rahmen seiner Möglichkeiten. Auch Journalisten sind in der Pflicht, gerade wenn wir den Verlust des Transfers zwischen Politik und Öffentlichkeit beklagen.


Das Interview ist in Gänze lesenswert.