Mittwoch, März 24, 2010

Sieg für die Meinungsfreiheit: Sabine Schiffer freigesprochen

Glaubt man der im Tagesspiegel wiedergegebenen Darstellung, scheint sich die Sache folgendermaßen abgespielt zu haben: Die Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer, die sich schwerpunktmäßig damit beschäftigt, wie in unseren Medien Rassismus gegen Muslime zum Ausdruck kommt und weiter geschürt wird, hatte nach einem Interview zur Ermordung Marwa El-Sherbinis in einem Dresdner Gerichtssaal um die 30 Hass- und Drohmails erhalten. Als sie damit zur Polizei ging, wurde allerdings das Ermittlungsverfahren gegen die durchgeknallten Islamophoben schnell eingestellt – und gegen die bedrohte Wissenschaftlerin selbst ein Strafbefehl über 6000 Euro oder wahlweise zwei Monate Haft erlassen: Sie hatte nämlich spekuliert, dass der Polizist, der im Durcheinander nach der Tat statt auf den Täter auf den dunkelhäutigen Ehemann des Opfers geschossen hatte, dabei durch (bewusste oder unbewusste) rassistische Einstellungen geleitet worden sein könnte. Das Entstehen eben solcher Einstellungen ist ja der Kern von Schiffers wissenschaftlicher Arbeit.

So sieht es also aus im komplett dem Islam unterworfenen Deutschland, in dem angeblich vor allem die Meinungsfreiheit der Rassisten ständig bedroht ist: Auch wenn man mehr als zwei Dutzend Drohmails erhält, sollte man sich damit vielleicht besser nicht an die Polizei wenden – denn statt um die Rassisten kümmert die sich offenbar viel eher um deren Opfer. Oder wie es im "Tagesspiegel" zu Schiffers Einschätzung der Dinge heißt:

Aus Schiffers Sicht drängt sich bei Lektüre der Akte der Eindruck auf, dass der Kommissar, dem sie die Drohmails mit der Bitte um Ermittlung übergab, sich intensiv darum bemühte, den schießenden Kollegen zur Klage gegen sie zu bewegen.


Manchmal kann einen dieses Land schon krank machen. Aber es gibt auch immer wieder Anzeichen zur Hoffnung. So berichtet die Neue Rheinische Zeitung über eine offenbar hochspannende und informative Diskussionsveranstaltung zum Strafverfahren gegen Schiffer.

Und soeben meldeten die Nürnberger Nachrichten den Freispuch Schiffers: Ihre Sicht der Dinge ist vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Einem anderen Artikel zufolge soll die Stimmung vor Gericht recht ausgelassen gewesen sein:

Das etwa zweistündige Verfahren endete mit einem Freispruch für die Angeklagte Sabine Schiffer. Jubel brandete im Gerichtssaal des Erlanger Amtsgericht auf, als Richter Wolfgang Frank diesen verkündete. Doch diesen verbat er sich ebenso, wie die zuvor geäußerten Unmutsäußerungen der Zuschauer, während des Plädoyers der Staatsanwältin.


Ganz anders ist derzeit wohl die herrschende Stimmung bei einigen islamophoben Bloggern bis hin zu einem SPIEGEL-Journalisten, die ihre eigene Hetze immer forsch unter das Banner der Meinungsfreiheit stellten, selbst aber in den Tagen vor dem Prozess bei ihren Lesern tüchtig Stimmung gegen die mutige Medienwissenschaftlerin gemacht hatten. (Zu diesem Dreck gibt es hier natürlich keine Links.)

Schiffer hatte schon vor dem Prozess eine Pressekonferenz nach dessen Ausgang angekündigt. Man darf auf die weitere Berichterstattung gespannt sein.

Die Website zum Prozess mitsamt einer Auswahl der schönsten Hassmails findet man hier.

Nachtrag vom nächsten Morgen: Inzwischen liegen mehrere weitere Medienberichte zum Prozess vor. Den informativsten gibt es hier.