Sonntag, Februar 14, 2010

Lesermail (Hochselektives Zitieren der Islamophoben)

Von meinem Leser R.P. habe ich heute Abend folgende Mail erhalten:

Grüß Gott, Herr Hoffmann,

heute ist im Feuilleton der aktuellen Wochenendausgabe (13./14. Februar 2010) der Süddeutschen Zeitung ein Artikel von Stefan Weidner unter dem Titel "Früchte des Zorns" (Untertitel: "Können wir mit der Islamkritik noch umgehen?") zu lesen.

Der Artikel ist bislang leider nicht im Internet erschienen. Zumindest SPIEGEL-Online verrät uns darüber (in der Kolumne "Heute in den Feuilletons") aber folgendes:

Stefan Weidner findet, dass die Islamkritik-Debatten in Deutschland nicht nur im Vergleich zu angrenzenden Ländern, in denen es Anschläge gibt und populistische Parteien gegründet werden, total harmlos sind. Er sieht in ihnen sogar etwas ausgesprochen Gutes: "Der anti-islamische Protest bedarf der politischen Formierung überhaupt nicht. Er verfügt über ein Ventil, das ein viel geeigneterer Ausdruck seiner Wut ist. Dieses Ventil ist nichts anderes als die Islamdebatte selbst. Die Medien, selbst in einer tiefen Orientierungskrise, geben einen dankbaren Resonanzboden für diese Art von Aufregung ab. Sie haben eine Blitzableiterfunktion übernommen, die uns mit ein bisschen Glück dauerhaft vor einer islamfeindlichen Partei rechts vom existierenden politischen Spektrum bewahrt."


Hui! Klingt ja scheinbar recht positiv für die Medien. Oder doch nicht?

Weidner hat in seinem Artikel über die "Anti-Islambewegung, die sich bis tief in den medialen Mainstream ausleben kann", nämlich noch etwas gaaanz anderes, für die Medien und den sich "islamkritisch" gebenden Teil der Intellektuellen deutlich weniger Schmeichelhaftes geschrieben, wovon aber der SPIEGEL, der in seinen Reihen bekanntlich einen gewissen Hassprediger beschäftigt, in seiner Feuilleton-Übersicht nichts erwähnt.

Ich habe mal Auszüge daraus abgetippt:

"Mit Argumenten ist hier nichts zu bewirken. Es geht längst nicht mehr um die Sache, sondern um den Protest als Protest. Um unanfechtbar zu wirken, hat er sich hinter einer Dogmatik von großer weltanschaulicher Geschlossenheit verschanzt. Der Kernsatz dieser Glaubenslehre lässt sich auf eine denkbar einfache Formel bringen: Der Islam war nie gut, ist nicht gut und kann nicht gut sein. Gerade diese Unzugänglichkeit für Argumente ist es, die unter Intellektuellen und Verantwortlichen in den Medien den Kultstatus der Bewegung ausmacht. Es tut gut, endlich einmal eine klare Meinung haben zu dürfen, nicht ständig differenzieren und lavieren zu müssen. Am Widerspruch, der ihr hie und da noch entgegenschlägt, wächst sie nur, und wenn es ein begründeter Widerspruch ist, erhöht sie die Lautstärke und wächst damit erst recht.

(...)

Wenn man aber mit der Anti-Islambewegung nicht verhandeln kann, weil sie keine satisfaktionsfähigen politischen Ziele kennt; wenn man mit ihr nicht argumentieren kann, weil sie von Unterscheidungen nichts wissen will; wenn man sie nicht beschwichtigen kann, weil sie ihre Empörung ausleben will, und jede Beschwichtigung als Appeasement-Politik geißelt, wie sollen sich die Nachdenklicheren unter uns Zeitgenossen dann ihr gegenüber verhalten? Schweigen und Hinnehmen kann die Methode nicht sein, will man nicht eine schleichende Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas in Kauf nehmen. Ein erstes, doch eigentlich unüberhörbares Warnzeichen dafür, der Dresdener Gerichtssaalmord, spielte schon jetzt in den Debatten keine Rolle mehr, als hätte das eine mit dem anderen so gar nichts zu tun.

Es steht zu befürchten, dass vorerst kein anderes Mittel bleibt, als der Bewegung ihre eigenen Strategien abzuschauen. Keine Toleranz den Intoleranten, predigen die Islamgegner. Es empfiehlt sich, sie absolut beim Wort zu nehmen und ihnen nichts, aber auch gar nichts durchgehen zu lassen."


Ich dachte, Sie sollten auf jeden Fall von dem Artikel Kenntnis haben. Vielleicht wird er ja auch in den nächsten Tagen im Netz zu lesen sein.


Dass die Rubrik "Heute in den Feuilletons" so hochselektiv aus einem für die "Islamkritiker" vernichtenden Artikel zitiert, dass die inhaltliche Tendenz komplett irreführend wiedergegeben wird, wundert mich nicht. Hinter der Rubrik "Heute in den Feuilletons" steckt nämlich niemand anderes als Broders Spezi Thierry Chervel, der inzwischen mindestens genauso herumstinkt wie sein Meister und deshalb auch genauso von Politically Incorrect und Konsorten gefeiert wird. Als Dank für seine Unterstützung erhielt Chervel eine völlig übergeschnappte Lobesyhymne auf seine jeden Werktag aus verschiedenen Zeitungen zusammengeklaubten Zitate von einem weiteren Broder-Spezi im Deutschlandradio. Hundertmal treffender indes war die Klarstellung der muslimischen Journalistin Hilla Sezgin, wie widerwärtig die Masche des Perlentauchers mittlerweile ist. Chervel ist mit seiner Arbeitsweise der vielleicht beste Beweis dafür, dass die Islamophoben für inhaltliche Argumente komplett unempfänglich sind: Diese Argumente werden von den Islamophoben selbst ignoriert und deren Lesern in derart ausgewählten Fetzen und wirren Zusammenfassungen mitgeteilt, dass an die Stelle von Aufklärung Irreführung tritt. Als etwa vor kurzem Daniel Bax in der tageszeitung haarklein und ganz konkret erklärte, aus welchen Gründen genau die Propaganda der Islamophoben mit seriöser Islamkritik so ziemlich gar nichts zu tun hat, fasste Chervels "Perlentaucher" diesen Artikel wie folgt zusammen:

In tazzwei wählt Daniel Bax die Überschrift "Unter Hasspredigern", um ein weiteres Mal seinem Abscheu über "Kelek & Co" Ausdruck zu verleihen.


Man merkt: Inhaltlich scheint NICHTS von dem, was Bax lang und breit erklärt hat, so dass der Dümmste es begreifen müsste, bei Thierry Chervel angekommen zu sein. Offenbar hat Stefan Weidner vollkommen Recht mit seiner Analyse: Argumente machen bei diesen Leuten einfach keinen Sinn. Sie sind beherrscht von einer Dogmatik und einem Fundamentalismus, die kurioserweise noch den reaktionärsten Islamisten widerspiegeln: eine antiliberale Haltung, die die Islamophoben bis aufs Blut zu bekämpfen vorgeben, die aber in ihnen selbst am stärksten wuchert. Und so wie mancher islamistische Demagoge setzen sie darauf, die Inhalte so verzerrt unters Volk bringen zu können, dass die vielen Leser, die die Hintergründe nicht kennen, sich davon für dumm verkaufen lassen. An die Stelle von sachgerechter Aufklärung tritt aufputschende Emotionalisierung. Und genau deshalb machen Schlagzeilen wie "Unsere Hassprediger" über diese Leute Sinn.

In den USA üben reaktionäre Ideologen wie Rush Limbaugh, Bill O'Reilly Michael Savage ihren propagandistischen Einfluss vor allem über private Radostationen aus. Ihre deutschen Brüder im Geiste versuchen es über das Internet. Und bis jetzt hat die so furchtbar meinungsunterdrückende "linke Medienmafia" ihnen nicht das Geringste entgegenzusetzen, sondert dient ihnen, wie vergangene Woche "taz" und Telepolis sowie grundsätzlich SPIEGEL und SPIEGEL-Online als sperrangelweit geöffnetes Einfallstor. Wer beim Thema Islam von einer "linken" Meinungshoheit in unseren Medien phantasiert (wobei "links" in dieser Lesart lediglich "nicht fremdenfeindlich" bedeutet, also problemlos auch in der CDU zu finden wäre), der ist ein Träumer. Und deshalb hat Stefan Weidner auch mit dem Fazit seines Artikels Recht, das ich hier gerne wiederhole: "Keine Toleranz den Intoleranten, predigen die Islamgegner. Es empfiehlt sich, sie absolut beim Wort zu nehmen und ihnen nichts, aber auch gar nichts durchgehen zu lassen."