Dienstag, Januar 05, 2010

Süddeutsche Zeitung: "Antisemiten und Islamfeinde – Hetzer mit Parallelen"

Eines der Kernthemen dieses Blogs, die innige Verbundenheit von Antisemitismus und Islamophobie, wurde inzwischen auch von der "Süddeutschen Zeitung" entdeckt. Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin und Herausgeber der "Dachauer Hefte", kommt auf viele wesentliche Punkte der Debatte zu sprechen, die ich auch in meinem Blog schon behandelt habe – etwa inwiefern Islamophobie tatsächlich Ausdruck einer geistig-emotionalen Störung darstellt und weshalb bloße Aufklärung über Sachfragen bei ihrer Bekämpfung nur begrenzte Hilfe leistet. Ein Auszug:

Feindbilder sind Produkte von Hysterie. Sie konstruieren und instrumentalisieren Zerrbilder der anderen. Wenn wir Hysterien als weitverbreitete Verhaltensstörung definieren, die unter anderem durch Beeinträchtigung der Wahrnehmung, durch emotionale Labilität, durch theatralischen Gestus und egozentrischen Habitus charakterisiert ist, dann erklären sich Phobien gegen andere Kulturen oder ganz unterschiedliche Minderheiten in der eigenen Gesellschaft als Abwehrreflex. (…)

In Internet-Foren, in denen Islamfeindschaft besonders schamlos verhandelt wird, wurde vor kurzem der Mord an der Ägypterin im Dresdner Gerichtssaal freudig kommentiert. Die Tat sei zu verurteilen, schrieb einer, "allerdings gibt es jetzt eine islamische Gebärmaschine weniger".

Ein anderer meinte, im Koran werde "in über 60 Suren zum Mord an Andersgläubigen und Ungläubigen, speziell an Juden und Christen" aufgerufen. Diese Überzeugung wird er gegen alle Hinweise über den wirklichen Inhalt des Korans so energisch verteidigen, wie der Antisemit vom Glauben an den schlimmen Inhalt des Talmud, an jüdische Ritualmorde und andere Wahnphantasien nicht ablässt. Ein Dritter weiß, dass mit Hochdruck für ein Ziel gearbeitet wird: "Vernichtung Deutschlands durch Zuwanderung und Islamisierung".

Der Diskurs über Kopftuch und Minarett - als Symbole einer fundamental abgelehnten und als bedrohlich gebrandmarkten Kultur - wird in dieser Deutlichkeit in der Teilöffentlichkeit des Internets geführt. Aber seine Ausweitung ist längst im Gange. Die Gleichsetzung deutscher Bürger muslimischer Religion mit fanatisierten Terroristen hat Methode und wird mit dem Appell an das gesunde Volksempfinden, an das Rechthaben der Mehrheit inszeniert.

Der symbolische Diskurs über Minarette ist in Wirklichkeit eine Kampagne gegen Menschen, die als Mitglieder einer Gruppe diskriminiert werden, eine Kampfansage gegen Toleranz und Demokratie.