Freitag, April 06, 2007

Radikale Subjektivität

Die Islamische Zeitung greift den taz-Artikel von gestern auf:

Robert Misik hat heute in der taz ausgesprochen, was viele Muslime denken: "Die neuen Xenophoben haben die "Ausländer" durch den "Islam" ersetzt, was zu Modernisierungstendenzen in der Argumentationslinie führte." Mit anderen Worten, die gute alte deutsche Ausländerfeindlichkeit (seit 2001 ja verschwunden!) versteckt sich heute geschickt im Mäntelchen der Islamkritik. Das alte Erkennungsmerkmal aller Ideologen und jeder auf Negativität beruhenden "Gegen"-Ideologie ist dabei gleich geblieben: radikale Subjektivität. Im Falle der Muslime beobachten wir den Versuch, den Konsens der Muslime und die Akzeptanz der Rechtsordnung durch die Muslime immer wieder anhand exzentrischer Einzelbeispiele in Frage zu stellen. Die Logik der Berufskritiker "wir sind gut, weil sie böse sind" ist so einfach wie die Lage auf Dauer gefährlicher wird. Heute frägt der Spiegel den BND-Chef noch vorsichtig und schüchtern, "ob ein Guantanamo auf Helgoland denkbar wäre" - was aber geschieht nach der nächsten rhetorischen Eskalationsstufe? Hier wird das alte, abgründige Problem jeder Dialektik bedeutsam: man nimmt auf Dauer die Eigenschaften selbst an, gegen die man sich angeblich definiert!


Und das ist in der Tat der springende Punkt bei vielen Islamhasser-Websiter, von der „Achse“ angefangen. Man stöhnt theatralisch über Menschenrechtsverletzungen in der islamischen Welt und lässt gleichzeitig immer wieder erkennen, dass man Folterlager wie Guantanamo eigentlich für eine feine Sache hält. Man gibt sich entrüstet über die angeblich dem Islam innewohnende Aggressionslust, wirft aber selbst mit Gewaltphantasien und Forderungen nach einem zünftigen Krieg gegen Staaten wie den Iran nur so um sich. Der Islam wird benötigt als gigantische Projektionsfläche für all jene Persönlichkeitsanteile der Fremdenfeinde, mit denen sie bei sich selbst nicht zurechtkommen. Wenn sie mit einem Finger auf die Fremden zeigen, zeigen vier andere auf sie selbst zurück.