Sonntag, Oktober 29, 2006

Haben Wissenschaftler Angst vor Geistern?

Es ist das Wochenende vor Halloween, und in den verschiedensten Medien sind Geister und andere Spukgestalten mal wieder ein großes Thema. Da reiht dieses Blog hier mit einer Buchempfehlung für Freunde anspruchsvollerer Lektüre gerne ein. Wer sich generell dafür interessiert, dem möchte ich Deborah Blums Ghost Hunters ans Herz legen.

Blum ist Professorin für Wissenschaftsjournalismus an der Universität von Wisconsin, verfasste 15 Jahre lang selbst wissenschaftliche Artikel und erhielt 1992 den Pulitzer-Preis. In ihrem Buch berichtet sie über eine Gruppe berühmter Wissenschaftler des ausgehenden 19. Jahrhunderts: William James, Mitbegründer der modernen Psychologie, Alfred Wallace, neben Darwin Mitbegründer der Evolutionslehre, der Medizin-Nobelpreisträger Charles Richet und eine Reihe weiterer Akademiker mit ähnlich glanzvollen Meriten. Dass sie ihre Intelligenz, ihre Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten und ihren gesunden Menschenverstand weit mehr unter Beweis gestellt hatten als die meisten anderer Mitglieder ihrer Zunft nutze ihnen indes überhaupt nichts, als sie sich einem Thema zu widmen begannen, das damals dem Zeitgeist so sehr entgegenlief, dass man von einem starken Tabu sprechen konnte: die Erforschung eines potentiellen Lebens nach dem Tod. Sobald sie sich ernsthaft damit auseinandersetzten, wurden sie von ihren Kollegen heftig angefeindet, in Wissenschaftsmagazinen erschienen anonyme Verleumdungen und Mitglieder des akademischen Establishments weigerten sich standhaft, überhaupt nur einen näheren Blick auf das von William James und seinen Kollegen zusammengetragene Forschungsmaterial zu werfen. Deborah Blum ist angenehm neutral, was die Frage nach der möglichen Existenz eines Jenseits angeht, aber sie ist ganz sicher nicht neutral bei ihrer Kritik, mit welch fragwürdigen Methoden dieser Forschungsbereich aus der anerkannten Wissenschaft ausgegrenzt wurde, als ob es sich um ... nun ja ... Gotteslästerung und Ketzerei handelte.

Hundert Jahre später hat sich die Situation in keiner Weise geändert. Wie ein Artikel aus der britischen ”Times” sehr anschaulich macht, reagiert das wissenschaftliche Establishment auch im Jahr 2006 noch wie vom wilden Affen gebissen, wenn Kollegen Positionen vertreten, die der allgemeinen Glaubenslehre widersprechen. Normalerweise muss man heutzutage schon mindestens den Feminismus oder die Politik Israels kritisieren, um ähnliche Hassausbrüche ernten zu können. ”Are Scientists Afraid of Ghosts?” fragt Deborah Blum sarkastisch nd zugleich sehr ernsthaft in einem ihrer Artikel.

Da ich von akademischem Peer Pressure, um mich brav in Reih und Glied zu halten, in keiner Weise betroffen bin, kann ich dem interessierten Laien bedenkenlos noch einige weitere lesenswerte Titel zur Jenseitsforschung empfehlen, die in den letzten beiden Jahren erschienen sind (und die man zugegebenermaßen aus einer Tonne von sonst eher schrottigen Werken erst einmal ausbuddeln muss):

Dianne Arcangel (ihr richtiger Name), ehemalige Direktorin des Elisabeth-Kübler-Ross-Instituts veröffentlichte mit Afterlife Encounters die Ereignisse einer internationalen Fünf-Jahres-Studie über Kontakte mit Verstorbenen.

Der Traumatherapeut Allan Botkin entwickelte eine Methode, um solche Kontakte herbeizuführen und berichtet darüber in seinem Buch Induced After-Death Communication. Das Bemerkenswerteste daran ist vielleicht, dass sie unabhängig vom jeweiligen Glauben und Weltbild des Betroffenen, schlicht funktioniert.

Von dem Psychiater Jim B. Tucker stammt mit Life Before Life ein seriöses Buch zum aktuellen Stand der Reinkarnationsforschung. Eine ausführliche Rezension gibt es hier.

David Fontana, Professor für transpersonale Psychologie in Liverpool und Parapsychologe mit mehreren Jahrzehnten Erfahrung, stellt in Is There an Afterlife? die vorliegenden Erkenntnisse übersichtlich zusammen. Dazu gibt es hier eine kundige Besprechung.

Zukunftsweisend ist die Aufsatzsammlung The Survival of Human Consciousness, in der wissenschaftliche Artikel über die jüngsten Forschungsansätze zusammengestellt sind.

In dem 832 Seiten dicken Büchlein Irreducible Mind: Towards A Psychology for the 21st Century erklären renommierte Forscher, warum das materialistisch-reduktionistische Bild des menschlichen Bewusstseins vor dem Hintergrund der aktuellen Faktenlage wenig Sinn ergibt. Da es noch nicht erschienen ist, kann ich es nicht empfehlen, aber die Ankündigung liest sich doch recht spannend. Kurz andiskutiert wird der Inhalt hier und hier.

Ich bin regelmäßig hin- und hergerissen, was mich mehr fasziniert: das Thema an sich oder das Meta-Thema, wie massiv sowohl die entsprechenden Studien als auch die von ernsthaften Wissenschaftlern vertretenen Meinungen aus der Mainstream-Wissenschaftsliteratur zu Gehirn und Geist draußen gehalten werden. Es ist ja noch nicht mal so, dass die Herausgeber entsprechender Zeitschriften argumentieren würden: Das sind Minderheitsmeinungen, und wir haben folgende gewichtigen Gegenargumente oder glauben die folgenden Fehler in den Untersuchungen nachweisen zu können; stattdessen findet eine solche Diskussion ja nicht einmal statt. (Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit CSICOP und den ”Skeptikern” als Gegenbeleg.) Selbst wenn man gerne an einem mechanistischen Weltbild festhalten möchte, tut man sich durch das beharrliche Ausgliedern immer neuer Belege für Anomalien, die dort nicht hineinpassen, als Wissenschaftler keinen Gefallen.

Falls Sie sich nicht gleich ein neues Bücherregal anschaffen möchten, finden Sie unter ”Science is a method, not a position” übrigens auch ein nettes Blog zu diesem Thema.

Happy Halloween!

Sonntag, Oktober 22, 2006

Ein Werwolf in der Pravda

Kurios: Die Pravda berichtet über einen „Werwolf“ in Russland.

Mittwoch, Oktober 18, 2006

Konkurrenz für die Wikipedia

Eine gute Nachricht: Die Wikipedia bekommt Konkurrenz durch einen ihrer Mitbegründer. Statt ideologietrunkener Laien sollen jetzt Experten ans Werk.

Dienstag, Oktober 17, 2006

17. Oktober 2006

Ich bin in den letzten Tagen endlich dazu gekommen, Norah Vincents Self-made Man zu lesen und bin sehr davon angetan. Norah Vincent ist eine New Yorker Journalistin, die für dieses Buch ein Jahr lang in den verschiedensten sozialen Gemeinschaften verkleidet als Mann lebte und dabei tiefergehende und wahrhaftigere Erkenntnisse über Männer wie Frauen sammeln konnte, als man sie in den meisten anderen Büchern zur Geschlechterdebatte findet.

Ein Satz auf Seite 272 bringt diese Erkenntnisse recht gut auf den Punkt: „Die Heilung der Männer ist auch im Interesse der Frauen, obwohl diese Heilung für Frauen bedeutet zu akzeptieren, dass auf einer Ebene Männer nicht nur ebenfalls – hier kommt das befürchtete Wort – Opfer des Patriarchats sind, sondern (und das wird am schwersten zu schlucken sein) Frauen für dieses System mitverantwortlich sind, manchmal genauso viel investiert haben und genauso aktiv wie die Männer selbst waren, um Männer in ihrer Rolle zu halten.“ Und auf der allerletzten Seite des Buches heißt es: „Männer hatten ihre Emanzipationsbewegung noch nicht. Nicht wirklich. (...) Und sie haben genauso ein Recht darauf wie die Frauen, mit denen sie leben und kämpfen, die sie umsorgen und lieben.“ Eigentlich ist das ein Titel, der in jede gut sortierte „maskulistische Bibliothek“ gehört.

Bei Amazon-USA erntete das Buch 98 Leserrezensionen, die sich auf vier von fünf Sternen einpendelten. Es erntete große Berichte in der Presse, war im Verkauf offenbar erfolgreich und kam in den unterschiedlichsten
Editionen bis hin zum Hörbuch heraus. Dass bis jetzt keine deutsche Übersetzung abzusehen ist, überrascht nichtsdestotrotz kaum. Im Gegensatz zu sehr viel Ami-Schrott, der sofort einen deutschen Lizenznehmer findet, ist Norah Vincents Geschichte möglicherweise schlicht zu wahr für viele deutsche Verlage.

Sonntag, Oktober 15, 2006

15. Oktober 2006

Normalerweise kann ich mich für Polit-Talkshows durchaus begeistern – wenn sie gut sind. „Sabine Christiansen“ schaue ich seit Jahren kaum noch. Irgendwie fühle ich mich dadurch seit längerer Zeit gleichzeitig gelangweilt und genervt, ohne dass ich bisher genau hätte benennen können, woran es liegt. Jetzt ist eine neue Untersuchung über diese Sendung erschienen, und ich muss sagen: Für mich trifft sie ziemlich genau den Punkt.

Samstag, Oktober 14, 2006

14. Oktober 2006

Na, das ist doch mal eine interessante Studie: Menschen, die beobachtet werden, sind ehrlicher – selbst wenn der „Beobachter“ nur ein Bild ist.

Freitag, Oktober 13, 2006

Freitag, der 13. Oktober 2006

Habe von Ubooks einen Karton mit Autorenexemplaren meines Romans „Dämonenprinz“ erhalten. Wie ich gerade feststelle, ist das Buch auch schon im Handel erhältlich. Was geht denn jetzt wieder ab? Hatte ich das Manuskript nicht zurückgezogen, als ich Anfang des Jahres meine kleine Nervenkrise hatte? Anscheinend passiert einem sowas, wenn man sich an allzu experimenteller Literatur ausprobiert.

Da, ich hab´s sogar hier eingetragen! (Wusste ich doch, dass mir dieses Blog irgendwann noch mal hilfreich sein könnte.) Hier schreibe ich davon, dass ich es bei Rüdiger zurückgezogen habe, und hier, dass ich aus denselben Gründen bei Ubooks ablehnen muss. Gibt noch mehr Einträge. Und warum erscheint das jetzt doch? Irgendwie hab ich den Eindruck, dass das Teil noch einigen Ärger machen wird.

Mittwoch, Oktober 11, 2006

11. Oktober 2006

Ich wollte ja in diesem Blog nicht mehr über gewisse dicke alte Männer und ihren eifrigen Kampf gegen den Untergang des Abendlandes lästern, aber wenn die “taz“ das auf derart lustige Weise tut, gehört hier natürlich ein Link hin.

(Sehr schön auch die Schlusspassage: „Auch die Lindenstraße hat, zumindest eine Folge lang, aufgezeigt, woher die wirkliche Gefahr droht: von den Lisas dieser Welt. Nein, nicht von Lisa Simpson, der wird ja leider in keiner Welt Gehör geschenkt, sondern von den Lindenstraßen-Lisas.“ Wer wie ich diese Serie regelmäßig schaut – inzwischen mehr aus Gewohnheit denn aus Vergnügen – wird sich auch hier ein Grinsen nicht verkneifen können.)

Samstag, Oktober 07, 2006

7. Oktober 2006

In der “taz“ und in Bildblog findet man gelungene Beiträge zum Thema „Gesundes Volksempfinden 2006“.

Freitag, Oktober 06, 2006

6. Oktober 2006

Wenn man als Autor zu den unterschiedlichsten Themen veröffentlicht, erhält man auch von den unterschiedlichsten Menschen Mails oder Anrufe. Polit-Aktivisten, Studenten, Journalisten, Interviewpartner – und manchmal Opfer. Mädchen, die (angeblich) sexuell missbraucht worden sind, oder Männer, die (angeblich) mit häuslicher Gewalt zu kämpfen haben. Gestern zum Beispiel klingelt bei mir ein mir unbekannter Mann an, der aufgebracht und ein wenig verzweifelt wirkt. Seiner Darstellung nach hatte er eine Auseinandersetzung mit seiner Partnerin, die sich nach jenem Schema wechselseitiger Gewalt anhört, das im häuslichen Bereich der Forschungslage nach am häufigsten ist. Wie er die Sache schildert, lag das Schwergewicht der Aggression allerdings auf seiner Partnerin: Von ihr war die Gewalt ursprünglich ausgegangen; sie hatte ein Messer, er war unbewaffnet. Trotzdem habe der Konflikt damit geendet, dass sie um Hilfe gerufen habe und eine Beamtin, die sich um „das Opfer“ (also natürlich: die Frau) gekümmert habe, ihm als erstes entgegengetreten sei mit „Tja, Sie sind ja nun der Aggressor ...“ Nachdem mein Anrufer sich von der ersten Konfusion erholt hatte, hat er offenbar ein wenig im Internet recherchiert und war unter anderem auf meine Artikel gestoßen.

Er war nicht allzu erbaut darüber, als ich ihm mitteilen musste, dass ich ihm nur bedingt helfen konnte. Wenn man mal von dem Trauma absieht, mit einem Messer bedroht worden zu sein, was ihn offenbar am meisten mitgenommen hatte, schien mein Gesprächspartner vor allem von der Angst bedrückt zu sein, dass jetzt eine gigantische staatliche Lawine auf ihn zukomme, gegen die er als „Sie sind ja sowieso der Täter“ keine Chance sieht.

Was kann man da als Hilfe anbieten? Es gibt in Deutschland Unterstützergruppen für „entsorgte“ Väter und Opfer falscher Verdächtigungen sexuellen Missbrauchs, aber keine, die sich speziell männlichen Opfern häuslicher Gewalt plus fehlgeleiteter Anschuldigungen widmen. (Zugegeben, es gibt zwei kleine unabhängige „Männerhäuser“ in Berlin und in Oldenburg, aber die waren vom Wohnort des Hilfesuchenden viel zu weit weg.) Es existiert kein „Erste-Hilfe-Set“ mit Verhaltensratschlägen für Betroffene. (Auf einer amerikanischen Website habe ich mal sowas gelesen, aber die USA sind ein anderes System.) Es herrscht generell große Ödnis, was Hilfsangebote für männliche Opfer angeht. Kein Wunder, dass sie auf die Idee kommen, dann eben einen Journalisten anzurufen, der hin und wieder zu diesem Thema veröffentlicht, aber von konkreter Opferarbeit und juristischem Handwerkszeug wenig Ahnung hat.

Ich habe dann das gemacht, was ich immer in solchen Fällen tue, und meinen Anrufer an eine Stelle verwiesen, die ich für kompetent halte, in diesem Fall Helmut Wildes Männerbüro Trier. Trotzdem macht mich diese desolate Situation alles andere als glücklich. Letzte Woche erst fand sich von einem renommierten Journalisten in der „Zeit“ wieder mal die Behauptung, dass Opfer häuslicher Gewalt „fast ausnahmslos Frauen waren und sind.“ Als ob man es den Lesern durch gebetsmühlenartiges Wiederholen in die Köpfe hämmern wollte, damit sich nur ja nichts zu ändern braucht. Wenn Leute, die keine Ahnung von einem Thema haben, wenigstens mal die Klappe halten würden!