Donnerstag, November 23, 2006

Leserpost (Killerspiele)

Folgende Mail erreichte mich heute:

„Ich weiß nicht wie's Dir geht, aber mir wird Angst und Bange bei der momentanen Diskussion - da werden Rufe nach Zensur von Computerspielen laut und der Einwand, Spiele könnten weiterhin über's Internet und das Ausland bezogen werden, wird damit beantwortet, daß man das Internet zensieren will und den Aufruf entsprechender Contents unterbinden - China lässt grüßen.
Ich bin selber begeisterter PC-Zocker, liebe so genannte Killerspierle (je blutiger, desto besser *LOL*) und wahrscheinlich einer der friedfertigsten Menschen die's gibt. Und so geht's hunderttausenden anderen Zockern auch.
Ich hab' hier nen Link zu einem Kommentar bzgl. dieser unsäglichen Debatte, in der es ja nicht mal um die Symptome geht (den alle bisherigen Untersuchungen zeigen, das Computerspiele NICHT AGGRESSIV machen), geschweige denn um die Ursachen. Leider ist der Kommentar aus einer Gamerzeitung, nichtsdestoweniger trotzdem sehr gut.
Vielleicht hast Du ja Lust, Dich mal zum Thema zu äußern.“

Aber nur kurz und nur wegen dieser Zuschrift. Ich habe bei dieser Debatte nämlich schon längst innerlich *plonk* gemacht. Seit Jahrzehnten muss ich mir dieselbe bescheurte Melodie anhören, nur jeweils mit einem anderen Text: Comics machen gewalttätig. Fantasy-Rollenspiele machen gewalttätig. Das Fernsehen macht gewalttätig. Gotcha-Spiele machen gewalttätig. Horrorfilme machen gewalttätig. Pornos machen gewalttätig. Alles was irgeneiner nicht mag, macht andere bestimmt gewalttätig. Ein Scheiß. Wenn das so wäre, müsste ich nicht nur selbst, sondern etliche Freunde von mir, die mittlerweile Anwalt sind oder Dozent für Geologie oder Unternehmer oder die unterschiedlichsten anderen Jobs innehaben, wir alle müssten im Amok durch die Gegend rasen. Jahrzehnte vor meiner Geburt war es die Rockmusik, die gewalttätig machte, und auch damals gab es schon Amokläufer, aber kein Counterstrike. Deppendiskussion!

Nein, ich hätte von mir aus nicht dazu gebloggt denn die halbe Bloggerszene regt sich – völlig zu Recht – schon über diesen Mumpitz auf. Ein paar schnell zusammengetragene Beispiele:

Das hat nicht lange gedauert
Offener Brief an die Politik
Ach, es ist ein Trauerspiel
Amoklauf endet mit Hirntod bei Politikern
Blanker Populismus
Kulturverfall in allen Lagen

Ja, schau einer an, das kommt auch nicht häufig vor, dass Arne Hoffmann derselben Ansicht ist wie die „Achse des Guten“ und der Verfasser des Anti-Neocon-Blogs Perspektive 2010 mit dem Neocon-Blog „Weapons of Modern Democracy“ auf einer Linie liegt. Diese Einigkeit hinzukriegen ist schon eine Leistung, liebe Politiker, dafür bedarf es schon populistischer Statements, die in ihrer Dämlichkeit weit über alle anderen hinausgehen.

Es ist sicherlich richtig, dass man sich über den Einfluss von Medien auf unsere Innenwelten unterhalten kann. Der Dalai Lama etwa vertritt die Auffassung, dass es spirituell nicht förderlich sei, seinen Geist immer wieder mit Bildern von Gewalt und Grausamkeit zu verunreinigen. Darüber kann man nachdenken. Aber dass das Durchdrehen eines einzelnen Jungen ausreicht, damit unsere Herren Politiker und „Experten“ im Chor wieder „Verbieten! Verbieten! Verbieten“ kläffen, ist schon eine harte Nummer.

Ein besonderes Armutszeugnis stellte sich gestern Abend übrigens meine Lieblings-Talkshow „Hart aber fair!“ mit einem selten absurden Standgericht über Computerspiele aus, wo mal wieder alle eingeladenen Gäste einer Meinung waren. Sowas kenne ich sonst nur aus den Möllemann-Hohmann-Debatten – also typischen Scheindiskussionen, wo es darum geht, auf einen Sündenbock einzuprügeln. Heute ist es also „Counterstrike“. Immerhin hat sich „Hart aber fair!“ heute auf seiner Website für die Einseitigkeit ihrer Sendung entschuldigt.

Warum man zu den unterschiedlichsten Themen immer wieder einen Hansel wie „Prof. Dr. Christian Pfeiffer“ als Multifunktionsfachmann einläd, als ob es keine sachkundigeren Experten gäbe, ist mir im übrigen ein Rätsel.