Sonntag, November 19, 2006

Anis Hamadeh kommentiert die Morddrohung gegen Shraga Elam

Auf der Website des Internet-Journalisten Anis Hamdeh findet sich hier in deutscher und englischer Sprache ein lesenswerter Kommentar zu der Morddrohung gegen Shraga Elam. Ich denke, Anis ist damit einverstanden, wenn ich den Volltext hier in diesem Blog zitiere, bevor ich selbst zu diesem Vorfall Stellung nehme.

Anis Text:
--- Der in Zürich lebende Recherchejournalist Shraga Elam hat telefonische Morddrohungen erhalten. Am 16ten und 17ten November wurde er mehrfach von einem ihm unbekannten Mann angerufen. Schließlich hinterließ der mit einem russischen Akzent Deutsch sprechende Unbekannte eine Nachricht auf Elams Mailbox. Der Journalist versendete die Audiodatei mit dem Inhalt der 25-sekündigen Botschaft an einige Networker, die sie unter anderem an die Presse weitergeleitet haben. Dort heißt es: "Hallo Shraga, warum nimmst du den Hörer nicht ab bei deinem Mobilfunktelefon? Henryk-M-Broder-Brigaden haben dich zum Tod verurteilt. In deinem Hauseingang (Adresse) wirst du erschossen, wie Politkowskaja, Scheißkerl, Verräter". Die russische Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja war im Oktober einem Auftragsmord zum Opfer gefallen. Das Audio von Shraga Elam liegt der Redaktion vor. Wie der Bedrohte berichtete, habe es später an der Tür geklingelt, doch er habe nicht aufgemacht.
Shraga Elam, Autor von "Hitlers Fälscher" und Co-Autor von "Die Schweiz am Pranger. Banken, Bosse und die Nazis", ist ein Befürworter der Ein-Staat-Lösung in Palästina/Israel. Er ist in der Friedensbewegung aktiv und ein Kritiker der zionistischen Politik. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass er sein Leben der Aufgabe widmet, eine gewaltfreie Zeit in der internationalen Politik zu erreichen. Der in Berlin lebende Journalist Henryk Broder hat sich im Internet mehrfach polemisch mit Shraga Elam auseinandergesetzt. Zwar ist Broder nicht dafür verantwortlich, wenn jemand vorgibt, in seinem Namen oder in Verbindung mit seinem Namen zu sprechen, jedoch schüren Broders aggressive Äußerungen ein Klima, in dem Vorfälle wie der oben dokumentierte wie eine Konsequenz wirken können, wird doch von Broder das gezielte Töten von Menschen in Palästina, im Libanon und anderswo immer wieder öffentlich gerechtfertigt. So werden die Frameworks der nahöstlichen Konflikte zu uns nach Europa getragen.
Schon seit mehreren Jahren warnen alarmierte Networker vor dem Übereifer selbsternannter Antisemitismusjäger, doch die Öffentlichkeit hat dieses Phänomen noch nicht aufgegriffen, wohl weil sie damit in einen Wertekonflikt zu geraten fürchtet. Wenn es ähnliche Drohungen von Seiten gewaltbereiter islamistischer Eiferer gibt, steht es in der Zeitung, vielleicht sogar mit Hintergrundinformationen über die Ziele und Pläne der Ideologie, die dahinter steht. Unsere Pressefreiheit ist in Gefahr! heißt es dann, und: Unsere Journalisten werden bedroht, weil die andere Seite die demokratischen Spielregeln nicht einhält, nach denen man Kritik vertragen muss und nicht mit Gewalt darauf reagieren darf. - Es ist Zeit, über Grenzen zu sprechen. Einschüchterungen liegen jenseits der demokratischen Grenzen, auch wenn sie im Namen des "Kampfes gegen Antisemitismus" geschehen. Hier ist die Öffentlichkeit gefordert, die Politik der Kollateralschäden und Liquidierungen nicht in unsere Kultur einzulassen. Hier ist eine breite Front notwendig. ---

Jetzt meine zwei Cents zu der Sache:
Zunächst einmal finde ich wichtig festzuhalten, dass in der Tat kaum jemand weiß, was überhaupt Sache ist. Möchte irgendein Schwachkopf Broder weiter ins Zwielicht rücken? Wollte irgendjemand Shraga Elam einen Schrecken einjagen, damit er sich zu bestimmten Dingen nicht mehr äußert? (Beides fände ich schlimm genug, nebenbei bemerkt.) Oder plant wirklich jemand, Shraga Elam umzubringen? Ich weiß es nicht. Und ich stimme Anis Hamadeh ausdrücklich darin zu, dass kein Autor die volle Verantwortung dafür übernehmen kann, wenn irgendein Hirni seine Texte als Freibrief dafür auslegt, ein Verbrechen zu begehen.

Allerdings muss ich Anis auch darin zustimmen, dass Broder massiv daran beteiligt ist, eine Stimmung zu schüren, in der ein solcher Dreck überhaupt möglich ist. Ich beobachte diese Szene, seit ich vor etwa einem Jahr von Broders Seppel Mischa Miersch in diese reichlich hysterisch geführten Auseinandersetzungen hineingezogen wurde. Und was ich da zu sehen bekommen habe, gefällt mir überhaupt nicht. Es gibt eine ganze Reihe von Büchern, die mit dem Islam sehr kritisch ins Gericht gehen, eines davon (Irshad Manji) habe ich im Interview mit dem Muslim-Markt explizit empfohlen. Man hätte weitere Titel nennen können. Bis jetzt hat sich aber kein anderer deutscher Autor als Henryk Broder in eine solche Mischung aus Alarmismus und Hetze hineingesteigert, dass Journalisten mehrerer deutscher Tageszeitungen darin Verbindungen zu rechtsextremem Gedankengut gesehen haben. Sicher: Alarmistische Überspitzungen verkaufen Bücher, aber wieviel gesellschaftlichen Unfrieden darf man denn in Kauf nehmen, nur weil man mal einen Abend lang in einer Stretch-Limousine fahren und in Talkshows seine teuren Golfschuhe zeigen möchte? Manchmal hab ich die Phantasie, dass Broder irgendwann plötzlich eine Volte spielt wie der Lehrer in dem Jugendbuch „Die Welle“ und erklärt, er habe alle an der Nase herumgeführt: „Ich wollte nur mal zeigen, wieviel Geld man in Deutschland immer noch mit Rassismus machen kann und wie leicht die Deutschen noch immer verführbar sind, so dass sie jedem folgen, der zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Ängste anspricht und gegen die richtigen Minderheiten Stimmung macht. Ich hoffe, wir haben alle etwas daraus gelernt.“ Das ist natürlich nur eine Phantasie, dafür hat sich Broder mittlerweile viel zu tief reingeritten.

Zu der aggressiven Stimmung, die Broder erzeugt und in der offenbar solche Morddrohungen möglich sind, gehört ja nicht nur dieses eine Buch. Dazu gehört auch ein Dauerfeuer des Internetmobbings gegen die verschiedensten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, dazu gehören auch die widerwärtigsten Beleidigungen wie am Fließband (was Broders Spezis als „jüdisches Stilmittel“ zu verkaufen versuchen). In diesem Jahr führt Broder drei Gerichtsprozesse gegen Leute, mit denen er in politische Meinungsverschiedenheiten verstrickt ist. Gewalt bis hin zu Folter wird von ihm und seinen Anhängern als Problemlösung befürwortet. Gleichzeitig gilt für diese Sippschaft jeder, der auf Deeskalation auf und Kommunikation mit Leuten setzt, die zum „Gegner“ erklärt wurden, als Dhimmi, der selbst bekämpft gehört. Und da soll man sich darüber wundern, dass in der so erzeugten Atmosphäre auch Morddrohungen gegen Andersdenkende möglich sein sollen?

Henryk Broder ist Mitarbeiter des trotz aller auch aktuellen Kritik vermutlich noch immer angesehensten deutschen Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL, und sorry, dieser Job bedeutet auch eine gewisse Verantwortung. Da draußen läuft eine Unzahl an leicht beeinflussbaren Deppen herum, die, wenn sie sehen, dass sich ein etablierter Journalist und Buchautor dauerhaft wie ein pubertierender Halbstarker aufführt, ganz sicher keine Hemmungen haben, selbst noch mal im Schutz der Anonymität einen Tacken draufzulegen. Nebenbei bemerkt ist Shraga Elam nicht der erste meiner Bekannten, von dem ich gehört habe, er sei aus dem Kreis der Islamhasser seiner Meinungen wegen massiv bedroht worden. (Ich weiß, dass der Betreffende hier mitliest; vielleicht möchte er einen Kommentar hinterlassen, vielleicht nicht.)

Apropos, Kommentar: Heute habe ich noch mal einen Blick in Broders Fanclub „politicaly incorrect“ geworfen und dabei spontan einen hübschen Kommentar gefunden: „Und wisst Ihr was ? mittlerweile ist mir ein Weltkrieg auch lieber als dieser ewige Eiertanz der falschen Konferenzen, der Takiyas, des schönredens des Gutietum usw.usw.usw. nach Jahren dieses Wahnsinn wird es Zeit für ein reinigendes Gewitter, scheiss egal ob man dabei draufgeht oder nicht aber so gehts nicht mehr weiter. Besser offener KRIEG als fauler Friede um jeden Preis.“ Ein Weltkrieg. Und da soll man sich über eine Morddrohung gegen einen missliebigen Journalisten wundern, die in ein paar Sekunden mal eben aufs Handy gesprochen ist?