Freitag, November 17, 2006

Amazon stellt vier Ein-Stern-Rezensionen wieder online

Bekanntlich kann ich in manchen Dingen extrem hartnäckig sein. (Leute, die es lieber hätten, wenn ich mich um bestimmte Dinge nicht so stark kümmern würde, bezeichnen das wohl eher als „nervig“.) Insofern bin ich weiter mit Amazon im Kontakt geblieben und habe dem zuständigen Mitarbeiter auch berichtet, dass ich darüber blogge. Ich gehe insofern davon aus, dass es ihm Recht ist, wenn ich aus seinem Schreiben zitiere, statt es nur zu paraphrasieren. Die indirekte Rede wird bei längeren Texte etwas nervig.

Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeiten und ein paar ohnehin öffentlich zugängliche Erörterungen über die Mechanismen bei Amazon (Rezensionsleitfaden etc.) kommt es hier zur meines Erachtens zentralen Passage:

--- (...) Weiterhin haben Sie eventuell bereits auf unserer Website den Link "Rezension unzumutbar?" entdeckt. Diese Rückmeldungen werden intern aufgrund verschiedener Parameter ausgewertet. Es kann dann gegebenenfalls sein, dass die betreffende Kundenrezension von der Website genommen wird. Allerdings ist dies nicht durch eine einzelne Person möglich, da die Nutzung pro User lediglich einmal möglich ist beziehungsweise nur einmal berücksichtigt wird. Da ich bei dem eben erläuterten Punkt den einzigen möglichen Erklärungsansatz sehe, habe ich über meine Abteilungsleitung eine entsprechende Recherche/Rückfrage eingeleitet. (...) Aufgrund Ihrer ausführlichen Erläuterungen zum aktuellen Titel von Henryk M. Broder habe ich die offenbar betroffenen "Ein-Sterne-Rezensionen" nun nochmals geprüft und wiederum diejenigen online gestellt, die zweifelsfrei unseren Richtlinien entsprechen. Dies betrifft vier "Ein-Sterne-Rezensionen".
Hier besteht somit die Möglichkeit, den weiteren Verlauf zu beobachten. Die von Ihnen geäusserte Vermutung hinsichtlich eines konkreten Mitarbeiters möchte ich an dieser Stelle ausschließen, da dies selbstverständlich strikt untersagt ist. ---

Okay. Schließen wir uns einmal diesem Erklärungsansatz an, dann bedeutet das im Klartext: Es gab vier negative Bewertungen von Henryk Broders neuestem Buch, an denen nicht das Geringste zu beanstanden war. In allen vier Fällen hat nicht nur eine einzelne irrlichternde Knallcharge auf „Rezension unzumutbar“ geklickt, sondern gleich mehrere Leute. Der Große Führer Broder darf in der Abwehrschlacht gegen die islamische Weltbedrohung offenbar auf keinen Fall kritisiert werden. Wenn man den Leuten nicht mit dem Antisemitismusvorwurf das Maul stopft, dann eben auf andere Weise. Ich komme zurück auf den Schlußsatz meines ersten Blogeintrags zu diesen Vorgängen: Wenn hier einige Brüder so schalten könnten, wie sie wollten, hätten wir hierzulande die Einheitsmeinung. Und das ist keine, die sehr nett gegenüber Ausländern wäre.

Ja zu Folter, ja zu Krieg, nein zu bestimmten Minderheiten, nein zu Meinungsfreiheit – warum kommt mir diese Kombination aus der deutschen Geschichte nur so beschissen bekannt vor? Offenbar braucht es kaum mehr als einen einzigen wortgewandten Polemiker, um reihenweise zu erwecken, was bei so manchem nicht sehr tief unter der Oberfläche vergraben ist.

Das Amazon-Schreiben schließt mit der Ankündigung, man werde nun, offenbar auch was die verschwundenen Rezensionen zu Lars Rensmann angeht, eine hausinterne Prüfung veranlassen und sich dann wieder bei mir melden.