Donnerstag, November 30, 2006

„Die Revolution der Neocons ist tot!“

erklärt kein anderer als Alan Posener in der “Welt“. Und plötzlich liegen nicht mehr die USA, sondern das angeblich abgehalfterte Europa in der Führungsposition.

Mittwoch, November 29, 2006

Wir werden alle überwacht

Aktuelle Meldung auf „Israelnetz“: Internet-Tool informiert über israelfeindliche Aktionen

Der Beitrag beginnt so:

Um das Image Israels in der Öffentlichkeit zu verbessern, haben Israelis einen Internet-Dienst entwickelt, über den die Teilnehmer sofort über israelfeindliche Aktionen informiert werden. Nun hat sich auch das israelische Außenministerium hinter die Initiative gestellt.

"Megaphone" heißt das Projekt, das Mitglieder der "Weltunion der Jüdischen Studenten" (WUJS) bereits im Juli während des Libanon-Krieges ins Leben gerufen hatten. Dahinter steht eine kostenlose Software, die man sich auf seinem Computer installieren kann. Diese benachrichtigt den Nutzer sofort in einem kleinen Fenster, wenn ein Teilnehmer "Alarm" geschlagen hat, etwa wenn irgendwo ein israelfeindlicher Artikel veröffentlicht oder eine Online-Umfrage zu Israel gestartet wurde.


Und ihr seid sicher, dass der klügste Weg, um Israels Image zu verbessern, wirklich stärkere Überwachung und Propaganda sind? Wenn immer wir Deutschen es auf diese Weise versucht haben, hat das nur begrenzte Zeit funktioniert ...

Bush: Durchhalten bis zum Endsieg

Kommentatoren zeigen sich schockiert über Bushs “Realitätsverlust“.

Counterstrike reloaded

Wo kriegt man eigentlich diesen Baller-Schund?

Dienstag, November 28, 2006

TV-Hinweis: „Polylux“ am 30. November

Also flott sind sie ja wirklich, die Macher von ”Polylux”. Gerade erreicht mich per Mail die folgende Info:

Die Reportage zum Thema "Absolute Beginner" sendet Polylux an diesem Donnerstag, dem 30.11.06 um 23 Uhr. Wir sind auf die Reaktionen gespannt. Unter polylog.tv kann zum Thema diskutiert werden.


Thema des Beitrages – für diejenigen, die es noch nicht mitbekommen haben – werden die Menschen ohne Beziehungserfahrung sein, deren Situation ich in meinem Buch “Unberührt“ behandele.

Bahnfahrt mit Leserbriefen

Gestern musste ich für Aufnahmen mit dem ARD-Magazin „Polylux“ eine kleine Bahnreise unternehmen, wofür ich mich am Kiosk des Wiesbadener Hauptbahnhofes mit der nötigen Literatur eingedeckt habe. Ich entschied mich für die Berliner „taz“, die „Junge Freiheit“, das Lesben-Magazin „L.Mag“ und die „Newsweek“.

Am interessantesten in der „taz“ fand ich ein ausführliches Interview mit dem Unternehmer Götz Werner, der das Bürgergeld fordert. (Passenderweise hatte meine Verlegerin Bettina Tegtmeier vorige Woche dieselbe Forderung im Szenemagazin SCHLAGZEILEN erhoben.) In allen drei anderen Periodika fanden sich die aus meiner Sicht bemerkenswertesten Beiträge auf den Leserbriefseiten.

So schrieb der „Jungen Freiheit“ (die diesmal übrigens den Schauspieler Heiner Lauterbach für ihren Fragebogen gewinnen konnte) ein Prof. Dr. Alfred De Zayas, Präsident des Pen-Zentrums Suisse Romande und ehemaliger Sekretär des UNO-Menschenrechtsausschusses, im Zusammenhang mit dem mehr als umstrittenen Historiker David Irving: „Es geht nicht darum, ob wir mit einem bestimmten Schriftsteller einverstanden sind oder nicht, sondern lediglich darum, ob er ein Recht auf Meinungsfreiheit hat. Das einschlägige österreichische Strafgesetz (wie übrigens das deutsche auch) ist menschenrechtsfeindlich und inkompatibel mit Artikel 19 des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Aber nicht einmal der UN-Menschenrechtsausschuss wagt es, diese Feststellung zu treffen. Auch der MRA muss seine oft feige, politisch korrekte Haltung überdenken.“ Starke Worte von hoher Stelle.

Eher kurios dagegen die Leserbriefe im L.mag: In dessen vorhergehender Ausgabe war offenbar ein „lesbischer Mann“ porträtiert worden, was einige irritierte Reaktionen hervorrief. („Mich erinnert Uwe eher an einen Typus aus dem Cosmopolitan-Artikel `Nett – nichts fürs Bett´ – betreffend das Dilemma von Männern, die durch ihre `softe´ Art weder bei Frauen noch bei Männern Verständnis finden“ kommentierte der Leser „Gerd“.) Hm ... ein „lesbischer Mann“ ist eines der Themen, die auch ich noch nicht in meinen Büchern behandelt habe.

Die „Newsweek“ hingegen hatte zuvor den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad interviewt. Das führte zu einigen sehr bemerkenswerten Leserbriefen:

In the interview with Iran´s President Ahmadinedschad, Lally Weymouth defined “terrorists” as people who kill civilians. Does that extend to Americans who have killed civilians in Iraq, Afghanistan, Vietnam, Hiroshima, etc.?
Kenn Johnson, Mt. Sterling, Kentucky


Even though I don´t agree with most of Iranian President Mahmoud Ahmadinejad´s rhetoric, during his interview with Lally Weymouth he did make some interesting points. In fact, I find nothing unreasonable in (in fact, I wholeheartedly agree with) his hope that President Bush will change his behavior as well as his attitude. For starters, I find Bush´s “do as I say, not as I do” arrogant attitude truly appalling. We continue to demolish Iraq and Afghanistan with bombs and kill innocent citizens whle demanding that other nations give up any intention of producing nuclear weapons.
Joann Lee Frank, Clearwater, Florida


Lally Weymouth´s interview of Iran´s President Ahmadinejad is both blatantly one-sided and inexcusably naïve. This sort of us-against-them mentality is at the root of most of the problems we are currently facing in the Middle East. Perhaps Weymouth would do well to remember all the civilians killed by the Israeli Army during decades of military campaigns and occupation in the region. Does she consider Israel a terrorist state? What about the 50,000 or so Iraqis who have died as a direct result of the American invasion of their country? It is ridiculous to think that none of these innocent people were killed by U.S. troops. Should we be imprisoning our own US. soldiers at Guantanamo? Why is it, exactly, that anyone who takes issue with the Bush administratrions´s aims is automatically labeld a terrorist or terrorist sympathizer? I think Ahmadinejad is well within his rights, coming here and telling Bush how to behave. After all, that is exactly what our president is doing all over the world.
Geoffrey Holt, Bainbridge Island, Washington


In the interview with Mahmoud Ahmadinejad, Lally Weymouth says that people are terrorists “if they started killing civilians”. Hamas certainly fits this description, but so does Israel, which has killed many more civilians than all Palestinian groups combined, while the United States is responsible for many times their combined bloody total in Iraq alone. Ahmadinejad may well be a loose cannon, but in terms of death and destruction he´s in the minor leagues compared with Bush.
Steve Juniper, Berkeley, California


Was bitte geht hier eigentlich schon wieder ab? Erhält in den USA Ahmadinedschad inzwischen schon mehr Zustimmung als George Bush? Wenn Deutsche solche Leserbriefe schrieben, würden sie von den üblichen Verdächtigen sofort als antisemitisch und antiamerikanisch abqualifiziert. Man hat den Eindruck, hier ist wirklich einiges im Wandel.

Ach ja, der Dreh mit dem „Polylux“-Team verlief durchaus vielversprechend – wenn man mal von meiner Unfähigkeit absieht, im Interview in kurzen und prägnanten Soundbites zu sprechen, statt in meine Sätze ständig Modifikationen und andere Einschübe einfließen zu lassen. Begleitend wurde ich in einigen stimmungsvollen Aufnahmen inszeniert, die in der fertigen Fassung hoffentlich angemessen melancholisch wirken. Der Beitrag soll an einem der nächsten Donnerstage ausgestrahlt werden.

Leserpost (fragwürdige Parallelen)

Thomas Immanuel Steinberg hat Einwände zu meinem vorgestrigen Blog-Eintrag über eine Analogie zwischen dem Krieg der USA gegen den Irak und den Krieg der USA gegen Hitlerdeutschland:

Der Vergleich des US-Kriegs gegen Irak mit dem alliierten Krieg gegen Deutschland hinkt in vieler Hinsicht: Deutschland hatte zuvor seine Nachbarländer überfallen und drohte, ganz Europa zu unterjochen. Deutschland war dabei, Teile der osteuropäischen Völker (Juden, Weißrussen, Polen) auszurotten.

Irak hat 2001/2002 kein Land überfallen und besetzt.

Weder die USA, noch die Sowjetunion haben Deutschland besetzt, weil sie die Deutschen vom Faschismus befreien wollten. Vielmehr wollten die Sowjets sich von den deutschen Mörderbanden befreien und sie unschädlich machen. Die US-Amerikaner wollten verhindern, daß die Sowjets die Hoheit über Europa bekommen. Kurz: Keiner der Kriegsgegner wollte Deutschland befreien.

Das ist vor allem in Westdeutschland auch gar nicht passiert. Nahezu alle alten Nazis durften weitermachen, wenn auch mit gedämpfter Stimme. Wo bleiben denn da irgendwelche Parallelen zum Überfall der USA auf den Irak?

Montag, November 27, 2006

Tanja Krienen im Muslim-Markt-Interview

Tanja Krienen war im Gespräch mit dem Muslim-Markt – und die Gouvernanten unserer Republik, die so gern darüber entscheiden möchten, von wem man sich interviewen lassen darf und von wem nicht, haben sich noch nicht einmal geräuspert …

Sonntag, November 26, 2006

Michael Moore: Cut and Run, the Only Brave Thing To Do

Michael Moores neuester Rundbrief beginnt so:

Friends,

Tomorrow marks the day that we will have been in Iraq longer than we were in all of World War II.

That's right. We were able to defeat all of Nazi Germany, Mussolini, and the entire Japanese empire in LESS time than it's taken the world's only superpower to secure the road from the airport to downtown Baghdad.

And we haven't even done THAT. After 1,347 days, in the same time it took us to took us to sweep across North Africa, storm the beaches of Italy, conquer the South Pacific, and liberate all of Western Europe, we cannot, after over 3 and 1/2 years, even take over a single highway and protect ourselves from a homemade device of two tin cans placed in a pothole. No wonder the cab fare from the airport into Baghdad is now running around $35,000 for the 25-minute ride. And that doesn't even include a friggin' helmet.

Is this utter failure the fault of our troops? Hardly. That's because no amount of troops or choppers or democracy shot out of the barrel of a gun is ever going to "win" the war in Iraq. It is a lost war, lost because it never had a right to be won, lost because it was started by men who have never been to war, men who hide behind others sent to fight and die.

Let's listen to what the Iraqi people are saying, according to a recent poll conducted by the University of Maryland:
** 71% of all Iraqis now want the U.S. out of Iraq.
** 61% of all Iraqis SUPPORT insurgent attacks on U.S. troops.

Yes, the vast majority of Iraqi citizens believe that our soldiers should be killed and maimed! So what the hell are we still doing there? Talk about not getting the hint.

There are many ways to liberate a country. Usually the residents of that country rise up and liberate themselves. That's how we did it. You can also do it through nonviolent, mass civil disobedience. That's how India did it. You can get the world to boycott a regime until they are so ostracized they capitulate. That's how South Africa did it. Or you can just wait them out and, sooner or later, the king's legions simply leave (sometimes just because they're too cold). That's how Canada did it.

The one way that DOESN'T work is to invade a country and tell the people, "We are here to liberate you!" -- when they have done NOTHING to liberate themselves.

Weiter geht es hier.

Eine interessante Argumentation, die sicher durch eine Erklärung gewinnen könnte, warum Deutschland als Gegenbeispiel nicht taugt. (Nachdem die USA Hitler geschlagen hatten, gab es keinen jahrelangen gewaltsamen Widerstand eines Großteils der deutschen Bevölkerung gegen "die Besatzer"). Moores Argumentation zufolge hat der Irakkrieg nach den "Massenvernichtungswaffen" und "Husseins Unterstützung für die Al Qaida" (beides nicht existent) auch die letzte vorgeschobene Legitimation ("ein Volk vorm Diktator befreien") verloren. Es geht um internationale Machtpolitik, und bis auf ein paar eifrige Blogger ist das inzwischen auch so ziemlich jedem klar.

Samstag, November 25, 2006

TV-Tipp: Dreizehn

Kein Meisterwerk des Kinos, aber ein wirklich gelungener kleiner Independent-Film ist „Thirteen“ (“Dreizehn“), heute abend um 20:15 Uhr auf VOX.

Worum es geht, erfahren wir von Amazon:

„Ohnehin schon ein nervenzerrendes Teenager-Porträt, wird `Dreizehn´ noch beeindruckender durch die Tatsache, dass ein tatsächlicher Teenager als Koautor fungierte, nämlich Nikki Reed, die auch die zweite Hauptrolle in diesem Film spielt. Tracy (Evan Rachel Wood), eine ernsthafte und fleißige Schülerin, sucht ein Ventil, um Zorn und Verbitterung über ihr zerstrittenes Familienleben heraus zu lassen. Zur Rebellion dient ihr die Freundschaft mit der rücksichtslosen, verführerischen Evie (Reed), die all die Freiheiten zu haben scheint, die sich Tracy wünscht. Was folgt ist ebenso erschütternd wie faszinierend: Tracy verwickelt sich in eine Beziehung zu Evie, die ihr gleichzeitig mehr Kraft gibt und sie doch tiefer in das Unglück stürzt, aus dem sie entkommen wollte, was ihrer Mutter (Holly Hunter), die verzweifelt um Tracys Liebe kämpft, zu Recht Angst macht. `Dreizehn´ lässt jeden Schritt auf diesem gefährlichen Weg durch und durch glaubhaft erscheinen, dank des lebhaften Drehbuchs, der energetischen Inszenierung und den unglaublich lebendigen Vorstellungen von Hunter, Reed, und vor allem Wood. Erschütternd, traurig und hypnotisierend.“

Einige weitere Rezensionen:

--- If Thirteen sounds authentic, that's because it is. Hardwicke cowrote the script with a then 13-year-old Reed, with whom she had forged a friendship after dating Reed's father. Though their project started out as a lighthearted comedy, the more Hardwicke pried into the life of her young friend, the grittier the story became. The result is a disturbing look into the so-called Wonder Years of adolescence, with convincing, award-worthy performances from each of its key players: Hunter, Wood, and Reed. Sex, shoplifting, snorting coke — it's all in here. At the same time, Hardwicke and Reed offer constant reminders as to how young these girls really are: They share a secret code language, giggle uncontrollably, and still have baby fat. They are, after all, only 13. ---

Premiere

--- ''Thirteen'' feels like a dramatized documentary, yet it has the grip of a thriller. (…) What's eerie about ''Thirteen'' is the way that everything Tracy goes through hooks into a corporate advertising culture that has become nearly metaphysical in its impact: not just the clothes and accessories (which include her hip-hop boyfriend) or the standards of beauty, but the whole subjugation of identity and flesh to a dictate from above - the sense that there's just one way to be, and that if you're not that way, you're nothing. With an authenticity that is tender and merciless, the movie shows you what it looks like when youth rebellion becomes a form of fascism. ---

Entertainment Weekly

--- Wenn coming of age hier auch als Teil einer Industrie erkennbar wird, die auf die Orientierungsphase der Teenager angewiesen ist, gibt "Dreizehn" die Richtung an, in die der Rahmen des Genres erweitert werden müsste. Pubertät, sponsored by H & M. ---

Jan Distelmeyer

--- It makes me feel old, at 34, to realize that I can't really conceive of the world these girls live in, and to realize that these girls are, in some ways, older than me. ---

MaryAnn Johanson

Freitag, November 24, 2006

Gerichtstermin

Soeben erreicht mich folgende Pressemeldung:

--- Der Rechtsstreit zwischen der Autorin Tanja Krienen und dem SPIEGEL-Journalist Henryk M. Broder wird nun vor dem Dortmunder Landgericht verhandelt. Broder hatte den transsexuellen Hintergrund der Frau fortgesetzt über einen Zeitraum von 15 Monaten mit drastischen Schmähungen thematisiert, sodass diese eine Unterlassung seiner Äußerungen anstrebt. Die Verhandlung findet am 13. Dezember 2006, 11. 00 Uhr, vor dem Dortmunder Landgericht, Kaiserstraße 34, statt. Das persönliche Erscheinen der Beteiligten wurde von der Staatsanwaltschaft angeordnet. ---

Donnerstag, November 23, 2006

„Popstars“: Kommt die süße Bahar in die Band?

Hm, die Überschriften hier haben auch schon wieder BILD-Zeitungs-Qualität. Whatever. Jedenfalls geht es gleich los mit der Entscheidungsshow: Welche drei von den sechs verbliebenen Kandidatinnen kommen in die Band? Die BRAVO der letzten Woche brachte Bahar groß aufs Cover und räumte nach ihr Mandy und Senna die besten Chancen ein. Das ioff sieht es aktuell ganz ähnlich. Die BILD von heute betrachtet hingegen Mandy, Kati und Romina als Favoriten. Und auf dem bei Amazon versehentlich vorab veröffentlichten Plattencover waren Kati, Mandy und Romina zu sehen - was aber Pro 7 zufolge nichts zu sagen hat. Die einzige, die seltsamerweise in sämtlichen Konstellationen auftaucht, ist Mandy, die in bisher noch jeder Folge einen Heulanfall hatte (jaja, wir Hebephilen schauen die Sendung regelmäßig), die aber angeblich bei vielen Teenagerinnen als Top-Identifikationsfigur gilt. Ich selbst drücke Bahar und Romina heute abend fest die Daumen.

Leserpost (Killerspiele)

Folgende Mail erreichte mich heute:

„Ich weiß nicht wie's Dir geht, aber mir wird Angst und Bange bei der momentanen Diskussion - da werden Rufe nach Zensur von Computerspielen laut und der Einwand, Spiele könnten weiterhin über's Internet und das Ausland bezogen werden, wird damit beantwortet, daß man das Internet zensieren will und den Aufruf entsprechender Contents unterbinden - China lässt grüßen.
Ich bin selber begeisterter PC-Zocker, liebe so genannte Killerspierle (je blutiger, desto besser *LOL*) und wahrscheinlich einer der friedfertigsten Menschen die's gibt. Und so geht's hunderttausenden anderen Zockern auch.
Ich hab' hier nen Link zu einem Kommentar bzgl. dieser unsäglichen Debatte, in der es ja nicht mal um die Symptome geht (den alle bisherigen Untersuchungen zeigen, das Computerspiele NICHT AGGRESSIV machen), geschweige denn um die Ursachen. Leider ist der Kommentar aus einer Gamerzeitung, nichtsdestoweniger trotzdem sehr gut.
Vielleicht hast Du ja Lust, Dich mal zum Thema zu äußern.“

Aber nur kurz und nur wegen dieser Zuschrift. Ich habe bei dieser Debatte nämlich schon längst innerlich *plonk* gemacht. Seit Jahrzehnten muss ich mir dieselbe bescheurte Melodie anhören, nur jeweils mit einem anderen Text: Comics machen gewalttätig. Fantasy-Rollenspiele machen gewalttätig. Das Fernsehen macht gewalttätig. Gotcha-Spiele machen gewalttätig. Horrorfilme machen gewalttätig. Pornos machen gewalttätig. Alles was irgeneiner nicht mag, macht andere bestimmt gewalttätig. Ein Scheiß. Wenn das so wäre, müsste ich nicht nur selbst, sondern etliche Freunde von mir, die mittlerweile Anwalt sind oder Dozent für Geologie oder Unternehmer oder die unterschiedlichsten anderen Jobs innehaben, wir alle müssten im Amok durch die Gegend rasen. Jahrzehnte vor meiner Geburt war es die Rockmusik, die gewalttätig machte, und auch damals gab es schon Amokläufer, aber kein Counterstrike. Deppendiskussion!

Nein, ich hätte von mir aus nicht dazu gebloggt denn die halbe Bloggerszene regt sich – völlig zu Recht – schon über diesen Mumpitz auf. Ein paar schnell zusammengetragene Beispiele:

Das hat nicht lange gedauert
Offener Brief an die Politik
Ach, es ist ein Trauerspiel
Amoklauf endet mit Hirntod bei Politikern
Blanker Populismus
Kulturverfall in allen Lagen

Ja, schau einer an, das kommt auch nicht häufig vor, dass Arne Hoffmann derselben Ansicht ist wie die „Achse des Guten“ und der Verfasser des Anti-Neocon-Blogs Perspektive 2010 mit dem Neocon-Blog „Weapons of Modern Democracy“ auf einer Linie liegt. Diese Einigkeit hinzukriegen ist schon eine Leistung, liebe Politiker, dafür bedarf es schon populistischer Statements, die in ihrer Dämlichkeit weit über alle anderen hinausgehen.

Es ist sicherlich richtig, dass man sich über den Einfluss von Medien auf unsere Innenwelten unterhalten kann. Der Dalai Lama etwa vertritt die Auffassung, dass es spirituell nicht förderlich sei, seinen Geist immer wieder mit Bildern von Gewalt und Grausamkeit zu verunreinigen. Darüber kann man nachdenken. Aber dass das Durchdrehen eines einzelnen Jungen ausreicht, damit unsere Herren Politiker und „Experten“ im Chor wieder „Verbieten! Verbieten! Verbieten“ kläffen, ist schon eine harte Nummer.

Ein besonderes Armutszeugnis stellte sich gestern Abend übrigens meine Lieblings-Talkshow „Hart aber fair!“ mit einem selten absurden Standgericht über Computerspiele aus, wo mal wieder alle eingeladenen Gäste einer Meinung waren. Sowas kenne ich sonst nur aus den Möllemann-Hohmann-Debatten – also typischen Scheindiskussionen, wo es darum geht, auf einen Sündenbock einzuprügeln. Heute ist es also „Counterstrike“. Immerhin hat sich „Hart aber fair!“ heute auf seiner Website für die Einseitigkeit ihrer Sendung entschuldigt.

Warum man zu den unterschiedlichsten Themen immer wieder einen Hansel wie „Prof. Dr. Christian Pfeiffer“ als Multifunktionsfachmann einläd, als ob es keine sachkundigeren Experten gäbe, ist mir im übrigen ein Rätsel.

Mittwoch, November 22, 2006

Gewinkt oder gewunken?

Schreiben Sie eigentlich „im März diesen Jahres“ oder „im März dieses Jahres“? Ich hatte vor zig Jahren einmal in einem Bewerbungsschreiben „diesen Jahres“ gewählt, und war dafür scharf zurechtgewiesen worden. Ein paar Wochen hingegen ist es erst her, dass mich einer meiner Verleger extra deswegen anmailte, weil ich mit „gewunken“ angeblich die Vergangenheitsform von „winken“ falsch bilden würde, richtig sei doch offensichtlich „gewinkt“. Bisher haben solche Sprachschlaumeier von SPIEGEL-Schreiber und Bestsellerautor Bastian Sick kräftigen Rückenwind erhalten, aber dieser Wind bläst Sick zunehmend ins Gesicht. Erstmals meldet sich in der bislang journalistischen Debatte die wissenschaftliche Linguistik zu Wort, und zwar in Gestalt von Peter Eisenberg, einem emeritierten Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Potsdam. Er nennt die Tipps von „Entertainern“ wie Bastian Sick “unverantwortlich“.

Leserpost

Mich erreicht ein weiteres Lesermail zur Morddrohung durch angebliche "Henryk-M-Broder-Brigaden".

--- Es ist ja schon treffend angemerkt worden, dass man Herrn Broder nicht für das Handeln einiger Wirrköpfe verantwortlich machen kann, die in seinem Namen eine Morddrohung aussprechen, sofern es sich eh nicht nur um eine üble Finte handelt, die nur den einen Zweck hat: Elam einzuschüchtern!

Allerdings, so ganz ungeschoren kommt er mir nicht davon, der Herr Broder. Einige Tage sind ja nun vergangen, seit Shraga Elam eine bizarre Morddrohung von einer vermeintlichen Henryk-Broder Brigade erhielt. Wenn fundamentalistische Muslime sich herausnehmen, ihrem Protest auch strafrechtlich relevante Gewalttaten folgen zu lassen, dann wird den nicht gewaltbereiten Muslimen - auch aus dem Broder-Lager - die Gleichung aufgemacht, dass die Muslime wohl insgeheim ein bisserl mit den Fundamentalisten symphatisieren, denn schließlich distanziert man sich ja nicht nachdrücklich von der Gewaltbereitschaft einiger Fundamentalisten.

Nun ergeht eine Morddrohung im Namen Broders. Und Broder, der, sofern an den selbsternannten Broder-Brigaden etwas dran sein sollte, sicherlich einen Einfluss auf diese verwirrten Geister haben dürfte, schweigt. Wonach es doch wohl das Mindeste wäre, dass er auf seiner Webseite denselben mal etwas zu verstehen gibt: dass Redefreiheit schließlich ein hohes Gut ist, von der auch er, Broder, profitiert und er sich daher die Anwendung von Gewalt - und die auch noch in seinem Namen - gefälligst verbittet.

Nein, ich unterstelle dem Broder nicht, dass er wirklich erfreut wäre, wenn Shraga Elam getötet würde. Schon gar nicht in seinem Namen. Aber er sollte sich mal daran erinnern, was er den friedlichen Muslimen ins Pflichtenheft schrieb. Was zögert er also?

Stattdessen verbreitet er auf seiner Seite lieber eminent Unsinniges. Zum Beispiel dass "Linke" quasi in der Psychologie eine Sonderstellung einnehmen. Insbesondere wenn diese auch noch paranoid sind. Einfachstes Erkennungszeichen einer solchen Paranoia: der (Linke) Kranke symphatisiert/solidarisiert sich mit Selbstmordattentättern, Terroristen und politisch korrekten Killern. Bahnbrechend! "Hurra wir Paranoiren". Einfacher wird das Leben eines Psychologen in Zukunft sein. Nun kann man massenweise paranoide Linke mit Schaufelbaggern auf der nächsten israelkritischen Demo einsammeln. Fehlt eigentlich nur noch, dass wir Soilent Green aus ihnen herstellen.

Uwe Bieser ---

Richtig ist sicher, dass seit letztem Wochenende zumindest ein Ballon der Islamhasser geplatzt ist: Der Vorwurf an die Mehrheit der gewaltfreien Muslime, sie sei auch irgendwie mitschuldig, weil sie sich nicht ausreichend distanziere. Auf den Websites der Islamhasserfraktion gilt die Morddrohung gegen Shraga Elam lediglich als “Spaß am Wochenend“.

Dienstag, November 21, 2006

Ausländer rein!

Ich lese gerade mit großem Interesse das Buch “Extreme Future“ des Zukunftsforschers James Canton. Darin findet sich eine bemerkenswerte Passage im Kapitel über die Zukunft der Arbeitswelt:

„According to the U.S. Bureau of Labor Statistics, the U.S. workforce will lose the skills and knowledge of forty-six million college-educated baby boomers, who will retire over the next twenty years. They are not being replaced, at least not domestically. This will become a crisis, not just in the U.S. but in Europe as well. Unless we drastically open the door to immigration to offset low fertility and low productivity, quality of life will decline.”

Das dürfte sich für deutsche Ohren äußerst befremdlich anhören. In Umfragen benennen die Menschen als Hauptproblem noch immer die Arbeitslosigkeit, und in einigen Kreisen ist „Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ noch immer ein Evergreen. Jetzt zu hören, dass sich diese Problmatik in nur fünf bis zehn Jahren durch den Pillenknick komplett umkehren wird und wir die Tore für Zuwanderer sperrangelweit aufreißen sollten, um unsere Gesellschaft am Laufen zu halten, ist sicher gewöhnungsbedürftig.

Eine noch nie gehörte Neuigkeit ist diese Entwicklung für aufmerksame Zeitungsleser allerdings auch wieder nicht. So konnten wir von Christian Schwägerl in der „Frankfurter Allgemeinen“ vom 7. Juni 2006 lesen: „Ein gigantisches Frauenbeförderungsprogramm steht bevor, weil auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft die Frau als das stärkere Geschlecht dastehen wird. Das Jahr 2010 markiert den Zeitpunkt, zu dem in Deutschland ein Umbruch der demographischen und ökonomischen Verhältnisse anläuft, der tradierte Geschlechterfrontverläufe heillos verwirren wird. Dann beginnt die Zeit, in der es nicht mehr zu viele junge Leute gibt, die in den Arbeitsmarkt drängen, sondern viel zu wenige. Junge Frauen werden dabei eine besondere Rolle spielen. (...) In jeder Fünfjahresperiode bis 2025 werden eine Million Deutsche mehr in Rente gehen, als Fünfzehn- bis Neunzehnjährige nachrücken. Unternehmen, Behörden, Forschungsstätten sind dann mit einem dramatischen Mangel konfrontiert.“

Wenn Politiker sich derzeit also alle möglichen Verrenkungen ausdenken, um Frauen Berufstätigkeit und Familie gleichermaßen zu ermöglichen, liegt das nicht daran, dass sie alle Anhänger einer feministischen Ideologie sind, sondern an purem wirtschaftlichen Eigeninteresse des Standorts Deutschland. Die Frauen allein werden aber nicht ausreichen, um den entstehenden Mangel auszugleichen. Wir werden auch massenweise qualifizierte Arbeitskräfte von außerhalb Europas anwerben müssen. Wer jetzt schon von „Überfremdung“ schwadroniert, wird dann erst recht nicht viel zu lachen haben.

„Rechte“ (konservative) Politiker dürften diese Umbrüche als besondere Herausforderung begreifen. Sie werden, wie bisher, einen stärkeren Patriotismus und eine deutsche Leitkultur fordern, damit der Charakter unserer Nation nicht verlorengeht, ähnlich wie das ja auch im Einwanderungsland USA der Fall ist. Sie werden darauf bestehen, dass man eine Pflicht zum Deutschlernen einfordern und Probleme wie Ausländrkriminalität benennen dürfen muss, ohne als Nazi angefeindet zu werden. Diese und andere Forderungen können sicherlich sinnvoll sein. Ganz sicher nicht sinnvoll ist allerdings eine generelle Fremdenfeindlichkeit. Nicht weil diese politisch inkorrekt wäre oder rot-grünen Multikulti-Träumen zuwiderliefe, sondern aus dem erwähnten handfesten deutschen Eigeninteresse heraus.

Nun werden wir all diese Einwanderer nicht ausschließlich aus dem fernen Osten anwerben können. Unter ihnen werden sich ohne Zweifel auch viele Muslime befinden. Und es dürfte schwierig sein, ihnen klarzumachen, dass man ihre Hilfe dringend braucht, damit wir unsere Gesellschaft am Funktionieren halten können, dass ihre Religion hierzulande aber scharf abgelehnt wird, weshalb sie sich davon besser verabschieden sollten. „Bitte kommt zu uns!“ beißt sich schon ein wenig mit Protestmärschen gegen eine geplante Moschee. Wir werden mit dieser Religion irgendwie klarkommen und leben müssen. Wenn also etwa Wolfgang Schäuble gerade mit viel Mühe beginnt, auf Islamkonferenzen und andernorts einen fairen Dialog zu suchen, dann nicht deshalb, weil er von Feigheit übermannt oder einem „allgemeinen Dhimmitum“ verfallen ist, sondern weil er ganz pragmatisch unsere eigenen Interessen gewahrt sehen möchte. Wenn man selbst keine politische Verantwortung trägt, sondern nur an Internet-Stammtischen sitzt, kann man Schäuble und Co. natürlich leicht als Vaterlandsveräter niedermachen, aber keiner aus dem Kreis der Islamophoben, ob Internetblogger oder Buchautor, konnte bislang irgendein tragfähiges Lösungskonzept für das Aufeinanderprallen der Kulturen anbieten. (Und nein, Weltkrieg gilt bei mir nicht als „tragfähiges Lösungskonzept“.) Alles, was die Broders, Miersches, Herres und Schröders hinbekommen, ist, die Arme in die Luft zu werfen und „Wehe! Wehe!“ zu rufen, um so den Dialog noch ein bisschen schwieriger zu machen und die Spannungen noch ein bisschen zu verstärken. Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Problemen, die mit dem Islam verbunden sind, aber den Islam an sich als Problem wahrzunehmen oder von „1,5 Milliarden dauerbeleidigten Muslimen“ zu sprechen, dient einer vernunftsgeleiteten Politik sicher nicht.

Wie man so liest, bezeichnen einige amerikanische Autoren Europa wegen der großen Zahl hier lebender Muslime bereits spöttisch als „Eurabia“. Eher früher als später werden ihnen ihre eigenen Worte im Hals stecken bleiben. Auf die USA, daran lässt der Zukunftsforscher James Canton keinen Zweifel, kommt schon in den nächsten Jahren genau dasselbe zu.

Was planen die Neocons?

Jeffrey Steinberg schreibt über die voraussichtlichen Strategien der Neokonservativen in den nächsten Jahren.

Montag, November 20, 2006

Ganz schön schizophrene Blogroll ...

„Du bist für viele bestimmt nicht leicht in eine Schublade zu stecken“ sagte neulich ein Kumpel zu mir. „So arg viele linksextreme, rechtsradikale Männerrechtler, die Frauenprojekte unterstützen und für männliche und weibliche Jungfrauen genauso eintreten wie für die sexuelle Befreiung gibt es wohl nicht.“ Und damit hatte er noch nicht mal Parapsychologie oder den Islam erwähnt.

Wie Stammleser vielleicht bemerkt haben, bin ich seit einigen Wochen dabei, meine Blogs zu überarbeiten. Vernünftige Überschriften für die einzelnen Beiträge statt bloßer (und gelegentlich falscher) Datumsangaben, ein Sitemeter wurde installiert (was zu einer spontanen Einstellung meines neuesten Blogs „Planet Sex“ wegen unterirdischer Zugriffszahlen führte), eine häufigere Frequenz aktueller Einträge und so weiter. Am meisten Schwierigkeiten machte mir die Einrichtung einer vernünftigen Blogroll. Es gibt nur äußerst wenige Blogs, mit denen ich komplett und vollinhaltlich übereinstimme (gut, „Genderama“ ist vielleicht eine Ausnahme), aber viele Blogs mit ganz unterschiedlichen Ansätzen, die ich mit Interesse lese. Das führt nun zu einer Blogroll, die ein bisschen sehr ungewöhnlich ist, weil sich darauf zahlreiche Positionen wiederfinden, die untereinander spinnefeind sind. Neocons haben normalerweise neokonservative Blogs in ihrer Liste, Liberale bevorzugen freiheitliche Blogs – nur hier geht mal wieder alles von ganz links bis ganz rechts, kreuz und quer, drunter und drüber.

Ein gutes Beispiel ist sicher, dass „Weapons of Modern Democracy“ in dieser Blogroll auftaucht. Sicher, viele Beiträge dort sind nicht sehr geistreich, aber andere sind lesenswert, zumal es sich immer wieder um Positionen handelt, die in den deutschen Medien eher Randerscheinungen sind. Und ein wirklich dummer Beitrag erhält auch schnell die passenden Kommentare: Leute wie „melancholicus“ sind dort wirklich eine Freude zu lesen. Schließlich hat es noch nie geschadet, sich auch mal mit Gegenpositionen auseinanderzusetzen. Ähnlich sieht es mit vielen anderen Blogs aus. Die Grenze ziehe ich nur bei einem offenkundig schlechten Stil (was natürlich wieder eine subjektive Bewertung bedeutet). So hat jetzt jeder die Möglichkeit, auf dem Marktplatz der Meinungen ein paar Früchte kennenzulernen, die bei ihm nicht sowieso schon täglich auf den Tisch kommen. Guten Appetit!

Leserpost

Zur Problematik der (viel zu zahlreichen) Irrlichter in einer bestimmten Internet- und Bloggerszene erreichte mich die folgende Lesermail. Sie weist auch darauf hin, dass Shraga Elam nicht der erste ist, der über massive Drohungen berichtet, die allem Anschein nach von Anhängern Henryk Broders ausgehen. Der Absender dieser Lesermail ist mir bekannt; er möchte aber aus Gründen, die aus seiner Mail hervorgehen, nicht, dass sein Name öffentlich gemacht wird.

--- Das Prinzip ist immer das gleiche: Diese Leute nehmen Israel, die USA und den Kapitalismus als Block, und wer ein Teil davon kritisiert, wird ab einem bestimmten Punkt als "Gegner" und "Feind" klassifiziert. Dann kommen als erstes platte Antisemitismus-Vorwürfe, obwohl sie es selbst sind, die z.B. Kapital(ismus) und Juden/Israel verknüpfen in ihren eindimensionalen Denkschemata. Lässt sich ein Kritiker davon nicht beindrucken, kommen als nächstes diverse mehr oder weniger drastische Beleidigungen und Drohungen.
Gleichzeitig versuchen andere aus dieser braunen Suppe, Klarnamen und Adressdaten der Leute über den Benutzernamen oder angegebene Mail-Adressen zu ermitteln. Die Drohungen werden dann von einem der Jubelperser als Kommentar gepostet, ein anderer postet darunter Klarnamen und/oder Adressdaten. Gleichzeitig werden auch Spamdexer und Trolle (...) eingeschaltet, die den Klarnamen zusammen mit Vorwürfen wie Antisemitismus, Pädophilie oder anderen potentiell existenzvernichtenden Anschuldigungen nennen, siehe z.B. hier oder wenn man den Namen solcher Kritiker in Google eingibt.
Im Falle von Klagen passiert lange Zeit nichts bis hin zum Versäumnisurteil. Dem wird dann später widersprochen und im Zweifelsfall geht es in einen langen, von den Leuten im Hintergrund finanzierten Rechtsstreit. Es geht nur um eines: Menschen, die anderer Meinung sind oder es sich "erdreisten", die Israel- und Broder-Jubelperser zu kritisieren, zu zerstören, sei es durch systematische Verleumdungen mit übelsten Anschuldigungen oder durch Morddrohungen oder evtl. auch tatsächlichen Taten.
Interessanterweise erhielt ich vor ca. 2 Wochen an einem Samstagmorgen gegen 6 Uhr mehrfache Anrufe auf meinem Handy, einer lief in die Mailbox. Da hörte man ein Piepsen und danach irgendwelche verzerrten Beschimpfungen, von denen man leider nur einzelne Worte wie "Terrorist" oder "Terroristenfreund" und Sprüche wie "Du wirst schon sehen, was du davon hast" verstehen konnte.
Solche Übergriffe finden auch dann noch statt, wenn die Kritiker sich schon lange aus diesem Umfeld zurückgezogen haben. Da sieht man sehr schön, dass diese Leute nicht locker lassen, wenn die sich einmal festgebissen haben: Feind ist Feind, und der Feind muss vernichtet werden.
Im Übrigen hatte auch Tanja Krienen diverse Gewalt- und Morddrohungen aus Broders Dunstkreis erhalten, nachdem sie seiner üblen "Gutachse" den Rücken gekehrt hatte, siehe hier.
Unter dem Strich ist das Treiben dieser braunen Gosse, von der ich berichtet habe, durchaus als "Krieg" zu bezeichnen, sei es teilweise auch nur ein "Informationskrieg", wenn man bestimmte Namen systematisch durch den Dreck zieht, so dass jeder Personalchef Abstand nimmt, wenn er diesen Dreck über Bewerber liest. Die Hetzer selbst gehören in den meisten Fällen übrigens zu jener Gruppe, die selbst nicht von Arbeit abhängig ist, auch wenn sie oftmals ein bafögfreies Studium ohne jeglichen Komfortverzicht absolviert haben. Ansonsten warten sie aufs Erbe, sofern noch nicht erfolgt, ein anderes Ziel oder einen anderen Sinn im Leben gibt es da nicht. Daher ist es auch kein Wunder, dass solche Leute die Zeit und Kraft haben, auch ganztägig nur zu bloggen oder Spam in Suchmaschinen zu verbreiten. ---

Nachtrag: Zu dieser Zuschrift passt auch sehr schön dieser Blogeintrag (auch wenn ich den „Tachles“ darin fälschlich als jüdisches „Onlinemagazin“ bezeichne; er ist aber ein Druckwerk, wie mir die Redaktion später mitteilte).

„Es gibt nicht eine Israellobby, sondern viele“

Außer hysterischen Antisemitismusvorwürfen und Meinungszensur gibt es natürlich auch faire und intelligente Einwände gegen die These einer „mächtigen israelischen Lobby, die auf die Politik der USA Einfluss nimmt“. Einen entsprechenden Artikel Marcia Pallys (von der ich im übrigen viel halte) findet man heute in der “Frankfurter Rundschau“.

CIA: Keine Beweise fürs iranisches Atomwaffenprogramm

Böses Deja-vu: Was immer die Bushisten behaupten, um Stimmung für einen Krieg zu schüren – der CIA zufolge gibt es für ein iranisches Atomwaffenprogramm keinerlei Hinweise. Wer da nicht an die "irakischen Massenvernichtungswaffen" denkt ...

Sonntag, November 19, 2006

Anis Hamadeh kommentiert die Morddrohung gegen Shraga Elam

Auf der Website des Internet-Journalisten Anis Hamdeh findet sich hier in deutscher und englischer Sprache ein lesenswerter Kommentar zu der Morddrohung gegen Shraga Elam. Ich denke, Anis ist damit einverstanden, wenn ich den Volltext hier in diesem Blog zitiere, bevor ich selbst zu diesem Vorfall Stellung nehme.

Anis Text:
--- Der in Zürich lebende Recherchejournalist Shraga Elam hat telefonische Morddrohungen erhalten. Am 16ten und 17ten November wurde er mehrfach von einem ihm unbekannten Mann angerufen. Schließlich hinterließ der mit einem russischen Akzent Deutsch sprechende Unbekannte eine Nachricht auf Elams Mailbox. Der Journalist versendete die Audiodatei mit dem Inhalt der 25-sekündigen Botschaft an einige Networker, die sie unter anderem an die Presse weitergeleitet haben. Dort heißt es: "Hallo Shraga, warum nimmst du den Hörer nicht ab bei deinem Mobilfunktelefon? Henryk-M-Broder-Brigaden haben dich zum Tod verurteilt. In deinem Hauseingang (Adresse) wirst du erschossen, wie Politkowskaja, Scheißkerl, Verräter". Die russische Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja war im Oktober einem Auftragsmord zum Opfer gefallen. Das Audio von Shraga Elam liegt der Redaktion vor. Wie der Bedrohte berichtete, habe es später an der Tür geklingelt, doch er habe nicht aufgemacht.
Shraga Elam, Autor von "Hitlers Fälscher" und Co-Autor von "Die Schweiz am Pranger. Banken, Bosse und die Nazis", ist ein Befürworter der Ein-Staat-Lösung in Palästina/Israel. Er ist in der Friedensbewegung aktiv und ein Kritiker der zionistischen Politik. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass er sein Leben der Aufgabe widmet, eine gewaltfreie Zeit in der internationalen Politik zu erreichen. Der in Berlin lebende Journalist Henryk Broder hat sich im Internet mehrfach polemisch mit Shraga Elam auseinandergesetzt. Zwar ist Broder nicht dafür verantwortlich, wenn jemand vorgibt, in seinem Namen oder in Verbindung mit seinem Namen zu sprechen, jedoch schüren Broders aggressive Äußerungen ein Klima, in dem Vorfälle wie der oben dokumentierte wie eine Konsequenz wirken können, wird doch von Broder das gezielte Töten von Menschen in Palästina, im Libanon und anderswo immer wieder öffentlich gerechtfertigt. So werden die Frameworks der nahöstlichen Konflikte zu uns nach Europa getragen.
Schon seit mehreren Jahren warnen alarmierte Networker vor dem Übereifer selbsternannter Antisemitismusjäger, doch die Öffentlichkeit hat dieses Phänomen noch nicht aufgegriffen, wohl weil sie damit in einen Wertekonflikt zu geraten fürchtet. Wenn es ähnliche Drohungen von Seiten gewaltbereiter islamistischer Eiferer gibt, steht es in der Zeitung, vielleicht sogar mit Hintergrundinformationen über die Ziele und Pläne der Ideologie, die dahinter steht. Unsere Pressefreiheit ist in Gefahr! heißt es dann, und: Unsere Journalisten werden bedroht, weil die andere Seite die demokratischen Spielregeln nicht einhält, nach denen man Kritik vertragen muss und nicht mit Gewalt darauf reagieren darf. - Es ist Zeit, über Grenzen zu sprechen. Einschüchterungen liegen jenseits der demokratischen Grenzen, auch wenn sie im Namen des "Kampfes gegen Antisemitismus" geschehen. Hier ist die Öffentlichkeit gefordert, die Politik der Kollateralschäden und Liquidierungen nicht in unsere Kultur einzulassen. Hier ist eine breite Front notwendig. ---

Jetzt meine zwei Cents zu der Sache:
Zunächst einmal finde ich wichtig festzuhalten, dass in der Tat kaum jemand weiß, was überhaupt Sache ist. Möchte irgendein Schwachkopf Broder weiter ins Zwielicht rücken? Wollte irgendjemand Shraga Elam einen Schrecken einjagen, damit er sich zu bestimmten Dingen nicht mehr äußert? (Beides fände ich schlimm genug, nebenbei bemerkt.) Oder plant wirklich jemand, Shraga Elam umzubringen? Ich weiß es nicht. Und ich stimme Anis Hamadeh ausdrücklich darin zu, dass kein Autor die volle Verantwortung dafür übernehmen kann, wenn irgendein Hirni seine Texte als Freibrief dafür auslegt, ein Verbrechen zu begehen.

Allerdings muss ich Anis auch darin zustimmen, dass Broder massiv daran beteiligt ist, eine Stimmung zu schüren, in der ein solcher Dreck überhaupt möglich ist. Ich beobachte diese Szene, seit ich vor etwa einem Jahr von Broders Seppel Mischa Miersch in diese reichlich hysterisch geführten Auseinandersetzungen hineingezogen wurde. Und was ich da zu sehen bekommen habe, gefällt mir überhaupt nicht. Es gibt eine ganze Reihe von Büchern, die mit dem Islam sehr kritisch ins Gericht gehen, eines davon (Irshad Manji) habe ich im Interview mit dem Muslim-Markt explizit empfohlen. Man hätte weitere Titel nennen können. Bis jetzt hat sich aber kein anderer deutscher Autor als Henryk Broder in eine solche Mischung aus Alarmismus und Hetze hineingesteigert, dass Journalisten mehrerer deutscher Tageszeitungen darin Verbindungen zu rechtsextremem Gedankengut gesehen haben. Sicher: Alarmistische Überspitzungen verkaufen Bücher, aber wieviel gesellschaftlichen Unfrieden darf man denn in Kauf nehmen, nur weil man mal einen Abend lang in einer Stretch-Limousine fahren und in Talkshows seine teuren Golfschuhe zeigen möchte? Manchmal hab ich die Phantasie, dass Broder irgendwann plötzlich eine Volte spielt wie der Lehrer in dem Jugendbuch „Die Welle“ und erklärt, er habe alle an der Nase herumgeführt: „Ich wollte nur mal zeigen, wieviel Geld man in Deutschland immer noch mit Rassismus machen kann und wie leicht die Deutschen noch immer verführbar sind, so dass sie jedem folgen, der zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Ängste anspricht und gegen die richtigen Minderheiten Stimmung macht. Ich hoffe, wir haben alle etwas daraus gelernt.“ Das ist natürlich nur eine Phantasie, dafür hat sich Broder mittlerweile viel zu tief reingeritten.

Zu der aggressiven Stimmung, die Broder erzeugt und in der offenbar solche Morddrohungen möglich sind, gehört ja nicht nur dieses eine Buch. Dazu gehört auch ein Dauerfeuer des Internetmobbings gegen die verschiedensten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, dazu gehören auch die widerwärtigsten Beleidigungen wie am Fließband (was Broders Spezis als „jüdisches Stilmittel“ zu verkaufen versuchen). In diesem Jahr führt Broder drei Gerichtsprozesse gegen Leute, mit denen er in politische Meinungsverschiedenheiten verstrickt ist. Gewalt bis hin zu Folter wird von ihm und seinen Anhängern als Problemlösung befürwortet. Gleichzeitig gilt für diese Sippschaft jeder, der auf Deeskalation auf und Kommunikation mit Leuten setzt, die zum „Gegner“ erklärt wurden, als Dhimmi, der selbst bekämpft gehört. Und da soll man sich darüber wundern, dass in der so erzeugten Atmosphäre auch Morddrohungen gegen Andersdenkende möglich sein sollen?

Henryk Broder ist Mitarbeiter des trotz aller auch aktuellen Kritik vermutlich noch immer angesehensten deutschen Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL, und sorry, dieser Job bedeutet auch eine gewisse Verantwortung. Da draußen läuft eine Unzahl an leicht beeinflussbaren Deppen herum, die, wenn sie sehen, dass sich ein etablierter Journalist und Buchautor dauerhaft wie ein pubertierender Halbstarker aufführt, ganz sicher keine Hemmungen haben, selbst noch mal im Schutz der Anonymität einen Tacken draufzulegen. Nebenbei bemerkt ist Shraga Elam nicht der erste meiner Bekannten, von dem ich gehört habe, er sei aus dem Kreis der Islamhasser seiner Meinungen wegen massiv bedroht worden. (Ich weiß, dass der Betreffende hier mitliest; vielleicht möchte er einen Kommentar hinterlassen, vielleicht nicht.)

Apropos, Kommentar: Heute habe ich noch mal einen Blick in Broders Fanclub „politicaly incorrect“ geworfen und dabei spontan einen hübschen Kommentar gefunden: „Und wisst Ihr was ? mittlerweile ist mir ein Weltkrieg auch lieber als dieser ewige Eiertanz der falschen Konferenzen, der Takiyas, des schönredens des Gutietum usw.usw.usw. nach Jahren dieses Wahnsinn wird es Zeit für ein reinigendes Gewitter, scheiss egal ob man dabei draufgeht oder nicht aber so gehts nicht mehr weiter. Besser offener KRIEG als fauler Friede um jeden Preis.“ Ein Weltkrieg. Und da soll man sich über eine Morddrohung gegen einen missliebigen Journalisten wundern, die in ein paar Sekunden mal eben aufs Handy gesprochen ist?

Samstag, November 18, 2006

Shraga Elam: Morddrohung von „Henryk-M-Broder-Brigaden“

Der in der Schweiz lebende jüdische Journalist Shraga Elam, häufige Zielscheibe von heftigen Verbalattacken Henryk M. Broders, berichtet heute, auf seinem Handy eine Morddrohung erhalten zu haben. Erhard Arendt stellte die entsprechende Tondatei auf seinem “Palästina-Portal“ online, so dass sich jeder Besucher anhören kann, wie ein Mann mit starkem Akzent die Sätze von sich gibt: „Hallo Shraga. (....) Henryk-M-Broder-Brigaden haben dich zum Tod verurteilt. In deinem Hauseingang, Konradstraße 14, wirst du erschossen wie Politkowskaja. Scheißkerl.“ Die russische Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja war im Oktober einem Auftragsmord zum Opfer gefallen. Shraga Elam hatte vor wenigen Wochen gegen die Teilnahme Broders an einer Podiumsdiskussion über „Die neue Lust an den Tätern“ protestiert.

„Solche Thesen war man bislang nur von der extremen Rechten gewohnt.“

Die Berliner “taz“ liefert uns die bisher gelungenste Besprechung von Henryk Broders neuestes Buch. Dabei erkennt sie in ihm, ähnlich wie ich in früheren Beiträgen dieses Blogs, das exakte Spiegelbild eines islamischen Hasspredigers. Jede einzelne Zeile dieser Analyse sitzt - absolute Leseempfehlung!

Leserpost

Wenn man ein auch nur einigermaßen bekanntes Blog führt, erhält man häufig Bitten, auf die unterschiedlichsten Dinge aufmerksam zu machen. In den letzten Tagen geschah das bei mir beispielsweise im Zusammenhang mit der Massen-Abmahn-Aktion des Media-Marktes sowie mit einer Peition gegen den Einsatz von Wahlmaschinen. Generell haben solche Wünsche eine größere Chance auf Erfüllung, wenn sie entweder Dinge betreffen, die nicht ohnehin bereits in sämtlichen Medien Thema sind (aktuelles Beispiel: die Möglichkeiten politischer Manipulation via Amazon) oder wenn sie gut in den Gesamtzusammenhang eines Themas passen, das ich ohnehin gerade behandele (aktuelles Beispiel: Martensteins passende Erwiderung auf die selbstmitleidige Rhetorik der Neokonservativen).

Oder wenn sie von guten Bekannten stammen. Von Stefan etwa, der mir schreibt:

--- Hoi Arne,
aus persönlichen Gründen fände ich es cool, wenn du einen Eintrag zu folgender Thematik auch in deinem Blog veröffentlichen könntest. ---

Das kann ich gerne machen, allerdings bin ich selbst kein Fachmann in Fragen des Verbraucherschutzes. Wer hier brauchbare Tipps oder Ideen hat, möge diese bitte in Stefans Blog hinterlassen. Wenn man mal nach der Firma „Movie-Tester“ googelt, stößt man jedenfalls als erstes auf Warnungen wie diese, diese und diese. Bei interessant klingenden Angeboten erst mal den Anbieter oder das Produkt per Google gegenzuchecken ist wohl eine sinnvolle Maßnahme, an die ich leider selbst auch nicht immer denke.

Dagmar fragt an:

--- Ich hätte ein Herzensanliegen: Könntest Du nicht vielleicht ein wenig Werbung für folgende Aktivitäten muslimischer Frauen machen: das multikulturelle Frauenmagazin GAZELLE und die DVD Verhüllte Freiheit? ---

Nun, im eigentlichen Sinne „Werbung machen“ kann ich natürlich nur für Produkte, die ich selbst kenne. Vom bloßen Drüberschauen erscheinen mir beide Medien aber interessant genug, dass ich gerne auf ihre Existenz hinweise und euch überlasse, ob ihr euch näher damit beschäftigen wollt. Seltsamerweise finde ich auf der Website zur „Verhüllte Freiheit“-DVD nirgends die Kosten für eine Bestellung. Wenn ich auch hier einmal nachgoogele, erfahre ich auf einer Website der Deutschen Muslim-Liga, dass sie 15 Euro betragen. Die GAZELLE finde ich persönlich interessanter: Insbesondere für neue Zeitschriften mit innovativen Ansätzen bin ich immer zu haben, und die GAZELLE wirkt als eigenfinanzierte Zeitschrift durchaus gelungen. Ich frage mich, wann wohl die deutsche Männerbewegung ihr erstes Magazin auf den Markt werfen wird. :-)

Freitag, November 17, 2006

Warum hassen so viele George Bush?

Zugegeben, es ist ein bisschen gemein, gegen Leute zu treten, die eh schon am Boden liegen. Andererseits: Manchmal trifft es die Richtigen. Harald Martenstein antwortet im ”Tagesspiegel” auf einen Anfall von Selbstmitleid Jeffrey Gedmins, der mit einer gehörigen Portion Dümmlichkeit durchsetzt war. Und dabei erteilt er es ihm recht ordentlich. Kernstück ist folgende Passage:

--- Jeffrey Gedmin, Direktor des Berliner Aspen-Instituts, schreibt in der „Welt“: „Ich frage mich, weshalb so viele Europäer George W. Bush hassen.“ Lieber Mr. Gedmin, es hängt unter anderem damit zusammen, dass 600.000 Tote ziemlich viele Tote sind, und damit, dass Bush und seine Leute die Wahrheit verdrehen, wo immer sie können. Als ob nicht auch viele Amerikaner Bush hassen würden! Schauen Sie die letzten Wahlen in den USA an. Oder nehmen Sie Wahlen nur zur Kenntnis, wenn das Ergebnis Ihnen in den Kram passt? Gedmin schreibt außerdem: „Fast alle haben geglaubt, dass Saddam Massenvernichtungswaffen versteckt, aber niemand kreischt, Al Gore oder Joschka Fischer hätte gelogen.“ Mr. Gedmin, die Welt hat an Saddams Waffen geglaubt, weil Ihre Leute der Welt mit allerlei Tricks die Existenz dieser Waffen weisgemacht haben. Warum klagt niemand Fischer an? Weil Fischer und Gore keinen sinnlosen Krieg angefangen haben, Bush dagegen schon. Ist das so schwer zu begreifen? ---

Wer jetzt nicht tobt, darf auch nicht mitmachen, wenn seine neokonservativen Freunde ihre nächste Welteroberung im Sandkasten planen.

Amazon stellt vier Ein-Stern-Rezensionen wieder online

Bekanntlich kann ich in manchen Dingen extrem hartnäckig sein. (Leute, die es lieber hätten, wenn ich mich um bestimmte Dinge nicht so stark kümmern würde, bezeichnen das wohl eher als „nervig“.) Insofern bin ich weiter mit Amazon im Kontakt geblieben und habe dem zuständigen Mitarbeiter auch berichtet, dass ich darüber blogge. Ich gehe insofern davon aus, dass es ihm Recht ist, wenn ich aus seinem Schreiben zitiere, statt es nur zu paraphrasieren. Die indirekte Rede wird bei längeren Texte etwas nervig.

Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeiten und ein paar ohnehin öffentlich zugängliche Erörterungen über die Mechanismen bei Amazon (Rezensionsleitfaden etc.) kommt es hier zur meines Erachtens zentralen Passage:

--- (...) Weiterhin haben Sie eventuell bereits auf unserer Website den Link "Rezension unzumutbar?" entdeckt. Diese Rückmeldungen werden intern aufgrund verschiedener Parameter ausgewertet. Es kann dann gegebenenfalls sein, dass die betreffende Kundenrezension von der Website genommen wird. Allerdings ist dies nicht durch eine einzelne Person möglich, da die Nutzung pro User lediglich einmal möglich ist beziehungsweise nur einmal berücksichtigt wird. Da ich bei dem eben erläuterten Punkt den einzigen möglichen Erklärungsansatz sehe, habe ich über meine Abteilungsleitung eine entsprechende Recherche/Rückfrage eingeleitet. (...) Aufgrund Ihrer ausführlichen Erläuterungen zum aktuellen Titel von Henryk M. Broder habe ich die offenbar betroffenen "Ein-Sterne-Rezensionen" nun nochmals geprüft und wiederum diejenigen online gestellt, die zweifelsfrei unseren Richtlinien entsprechen. Dies betrifft vier "Ein-Sterne-Rezensionen".
Hier besteht somit die Möglichkeit, den weiteren Verlauf zu beobachten. Die von Ihnen geäusserte Vermutung hinsichtlich eines konkreten Mitarbeiters möchte ich an dieser Stelle ausschließen, da dies selbstverständlich strikt untersagt ist. ---

Okay. Schließen wir uns einmal diesem Erklärungsansatz an, dann bedeutet das im Klartext: Es gab vier negative Bewertungen von Henryk Broders neuestem Buch, an denen nicht das Geringste zu beanstanden war. In allen vier Fällen hat nicht nur eine einzelne irrlichternde Knallcharge auf „Rezension unzumutbar“ geklickt, sondern gleich mehrere Leute. Der Große Führer Broder darf in der Abwehrschlacht gegen die islamische Weltbedrohung offenbar auf keinen Fall kritisiert werden. Wenn man den Leuten nicht mit dem Antisemitismusvorwurf das Maul stopft, dann eben auf andere Weise. Ich komme zurück auf den Schlußsatz meines ersten Blogeintrags zu diesen Vorgängen: Wenn hier einige Brüder so schalten könnten, wie sie wollten, hätten wir hierzulande die Einheitsmeinung. Und das ist keine, die sehr nett gegenüber Ausländern wäre.

Ja zu Folter, ja zu Krieg, nein zu bestimmten Minderheiten, nein zu Meinungsfreiheit – warum kommt mir diese Kombination aus der deutschen Geschichte nur so beschissen bekannt vor? Offenbar braucht es kaum mehr als einen einzigen wortgewandten Polemiker, um reihenweise zu erwecken, was bei so manchem nicht sehr tief unter der Oberfläche vergraben ist.

Das Amazon-Schreiben schließt mit der Ankündigung, man werde nun, offenbar auch was die verschwundenen Rezensionen zu Lars Rensmann angeht, eine hausinterne Prüfung veranlassen und sich dann wieder bei mir melden.

„Arne Hoffmann ist nicht libertär“

Eine interessante und durchdachte Gegenrede zu einem meiner politischen Essays gibt es im Blog von Dominik Hennig.

Donnerstag, November 16, 2006

Amazon in Erklärungsnot

Inzwischen hat sich ein weiterer Mitarbeiter von Amazon auf meine erneute Anfrage gemeldet. Er entschuldigt sich für die „Unregelmäßigkeiten“ im Zusammenhang mit meiner Rezension, könne aber, da seine zuständige Kollegin nicht im Hause sei, keine „aufschlussreiche Informationen“ zu den Hintergründen ihres Verschwindens geben. Nachdem er die Angelegenheit „mit der zuständigen Abteilungsleitung (...) erläutert“ habe, wurde meine Rezension nun wieder online gestellt. Inzwischen muss man aber einige Seiten nach hinten blättern, um sie zu lesen.

Offensichtlich ist diese Stellungnahme Amazons mehr als unbefriedigend. Insbesondere erklärt sie in keiner Weise, warum sämtliche negativen Rezensionen zu Broders Buch nach ihrer Veröffentlichung wieder entfernt wurden. Auf Nachfragen speziell von Herrn Seidel und mir konnte Amazon keinen Grund angeben, und Rezensionen, deren Verfasser das Verschwinden ihrer Texte nicht mitbekamen, bleiben verschollen. Meine Vermutung, dass ein einzelner Amazon-Mitarbeiter mit einer starken ideologischen Positionierung ausreicht, um hier spürbare Manipulationen vorzunehmen, wurde nicht entkräftet. Dem Amazonkunden kann man insofern nur den Ratschlag geben, auch ein paar Wochen später nachzusehen, ob seine Rezension noch online steht und gegebenfalls nachzufragen, was mit ihr geschehen ist. Wenn so etwas öfter passiert, dürfte die Amazon-Leitung hoffentlich irgendwann hellhörig werden.

Auf meinen gestrigen Blogeintrag habe ich außerordentlich viele Leserzuschriften erhalten. Einige beklagten sich darüber, dass auch von ihnen verfasste Rezensionen zu politischen Themen von Amazon nicht veröffentlicht wurden. Das allein halte ich allerdings noch nicht für ungewöhnlich. Amazon macht explizit deutlich, dass die Veröffentlichung von Rezensionen einer internen Auswahl unterliegt, und dass dabei viele Kriterien eine Rolle spielen. So möchte ich einem Leser zustimmen, der mir schreibt: „(...) Im Übrigen hatte ich wirklich schon des öfteren ähnliche Probleme mit den Rezensionen bei Amazon, die verschwanden, dann doppelt auftauchten usw., aber auch bei so eher unverfänglichen Sachen wie Stephen Kings ES. Und ich musste ebenfalls nachfragen, ziemlich oft schon. Natürlich ist es aber verdächtig, wenn es alle kritischen Rezensionen betrifft.“ Eben. Letzeres ist für mich der Knackpunkt.

In diesem Zusammenhang mailt mir ein anderer aufmerksamer Leser: „Das von Ihnen beschriebene Phänomen ist mir vor ziemlich genau einem Jahr auch aufgefallen. Nachdem Lars Rensmanns `Demokratie und Judenbild´ zuvor mit fünf Sternen bejubelt worden war, erschien im September 2005 eine Kundenrezension, die dem Buch nur einen Stern widmete. Am 31. Oktober folgte eine weitere Rezension, die sich mehrerer in Ihrem Buch (`Warum Hohmann geht und Friedman bleibt´) verwendeter Kritikpunkte bediente und dem Buch (Lars Rensmanns) vorwarf, die `kruden Thesen der radikal Antideutschen´ in `pseudowissenschaftlicher Verbrämung´ zu präsentieren. Wenige Wochen später waren beide Rezensionen verschwunden. Im Dezember erschien eine weitere Lobeshymne, in der das Buch der `Bundeszentrale für politische Bildung´ empfohlen wurde. Arendt hat übrigens Auszüge beider Verrisse auf seiner Seite dokumentiert.“

Ich recherchiere nach: In der Tat finden sich auch auf der Amazonseite zu Lars Rensmanns Buch inzwischen ausschließlich positive Rezensionen, zwei davon doppelt. Ich kann mich aber ebenfalls daran erinnern, zu Rensmanns Buch eine negative Besprechung bei Amazon gelesen zu haben. Rensmann rechne ich demselben politischen Umfeld zu wie Broder, auch bei ihm habe ich den Eindruck, dass er Antisemitismusvorwürfe als politische Waffe gegen Andersdenkende benutzt, auch er ist ausgesprochen umstritten. So erhob der Antisemitismusforscher Klaus Holz gegen Rensmanns Buch schwere Vorwürfe: „Zu nennen sind hier verkürzende Zitate, das Ausblenden von konkurrierenden Ansätzen, die Unterschlagung von Quellen oder bestimmten Aspekten dieser Quellen, die der These zuwiderlaufen, und nicht zuletzt die pauschale Abqualifizierung nahezu sämtlicher FachkollegInnen. (…) Rensmann musste sich bereits einmal unter Androhung einer Klage außergerichtlich zur Unterlassung ähnlicher Behauptungen über Schriften Ludwig Watzals verpflichten. (…) In der Berliner Staatsbibliothek ist sein Buch gegenwärtig nicht mehr entleihbar mit dem sprechenden Hinweis `Rechtsstreit, nicht benutzbar´.“ Klickt man heute aber auf die entsprechende Amazonseite erscheint dieses Werk, als wäre es eine wissenschaftliche Offenbarung. Die Seite Erhard Arendts, die Passagen der einstmals bei Amazon veröffentlichten kritischen Rezensionen wiedergibt, findet sich hier (fast ganz nach unten scrollen). Darüber ist von Erhard Arendt die Anmerkung zu finden: „Ich frage mich, warum Amazon diese nachfolgenden Besprechungen nicht mehr für die Leserinnen und Leser bereitstellt?“

Ein weiterer Leser meines Blogs weist mich, „damit Sie sehen können, wie schnell Ihre Prognose eintrat und wie `wunderbar´ Broders Saat aufgeht“, auf die Website einer Berliner Interessensgemeinschaft hin, die gegen den geplanten Bau einer Moschee in Pankow protestiert. Ein „regelmäßiger Teilnehmer an den Protestzügen“, der dadurch verhindern will, dass seine Enkel „in einer islamischen Bundesrepublik Deutschland aufwachsen“, empfiehlt in diesem Zusammenhang explizit das Buch Henryk M. Broders.

Mittwoch, November 15, 2006

Wie bei Amazon antirassistische Kundenrezensionen verschwinden

Meine Idealvorstellung als liberaler Journalist ist, dass in der öffentlichen Debatte Meinung gegen Meinung gestellt werden sollte und sich die besser begründete Meinung durchsetzt. Vermutlich widme ich mich in meinen Büchern und Blogeinträgen deshalb immer wieder Themen, bei denen dieses Ideal bersonders krass verletzt wird. Seltsamerweise stolpere ich in diesem Bereich immer wieder über den SPIEGEL-Journalisten Henryk M. Broder.

So erreichte mich vor einigen Tagen folgende Mail eines mir bis dato unbekannten Herrn:

--- Lieber Herr Hoffmann,
vor einigen Wochen habe ich auf der Amazon.de-Seite Ihre ausgezeichnete Rezension zum neuen Broder Buch gelesen. Ich selbst hatte auch eine Rezension geschrieben.
Heute ist mir aufgefallen, dass weder Ihre noch meine noch sonst eine negative Rezension noch auf der Internetseite zu finden ist, während ältere Rezensionen, die in zum Teil fremdenfeindlichsten Tönen dieses Buch beklatschen, noch zu lesen sind.
Können Sie sich das erklären?
Wollen die bei Amazon keine kritischen Stimmen?
Ich perönlich würde gerne ihre Rezesion zum Buch noch einmal haben und sie auch an Bekannte verschicken. Könnten Sie sie mir zumailen?
Ich habe meinen Text nun einfach noch mal als Rezension auf der Amazonseite abgeschickt. Überhaupt müsste man mehr Leute anregen, ihre kritische Meinung zu derartigen Büchern auf die Amazon-Seite zu setzen.
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass sich eine islamophobe Stimmung in der Öffentlichkeit immer breiter macht, da müsste man entschiedener reagieren. Ein Thema, das mich als Islamwissenschafler im Moment umtreibt.
Beste Grüße
R. Seidel ---

Herr Seidel hatte seine Rezension des Broderbuches im PS seiner Mail beigefügt:

--- Differenzierung ist Broders Sache nicht, wie er gerne öffentlich bekennt. Gegen Polemik ist an sich nichts einzuwenden, doch Pauschalisierung kann, gerade in einer derart aufgeheizten Debatte, brandgefährlich sein. Er schürt Vorurteile, in dem er auf äußerst suggestive Weise Terroristen mit der Mehrheit der Muslime gleich setzt. Er diffamiert diejenigen, die ein Dialog mit den Muslimen suchen und den Islam als das sehen was er ist, eine Religion und eben keine Ideologie. Genau in dieser Vermischung besteht das Problem und die Gefahr. In der Tat gibt es Muslime, die aus ihrer Religion eine restriktive Ideologie zimmern unter ihnen sind solche – und das ist eine wenn auch gefährliche Minderheit – die Ihre Ideologie mit Gewalt verbreiten wollen. Ein verantwortungsbewusster Journalist muss diese klar unterscheiden vom Durchschnittsmuslim. Natürlich kann und muss man mit allen Mitteln des Rechtsstaates - und zwar ohne seine Grenzen zu überschreiten wie Broder offenbar fordert – gegen gewaltbereite Islamistische Gruppierungen vorgehen. Gleichzeitig aber muss man den Dialog mit den Muslimen suchen, um den Radikalen eben nicht das Feld zu überlassen. Wirft man alle in einen Topf, so kann man den Extremisten keinen größeren Gefallen tun.
Die Muslime in Europa sehen sich einer Öffentlichkeit gegenüber, die ihrer Religion als ganzer mehr und mehr mit Unbehangen wenn nicht Ablehnung begegnen. Wer hier weiter polarisiert ist mitverantwortlich dafür, wenn sich bereits integrierte Muslime abgelehnt und ausgegrenzt fühlen, genau das ist der Nährboden für Extremismus. Im öffentlichen Diskurs ist Differenzierung und Aufklärung gefragt nicht plumpe Pauschalisierung und Polemik. Wohin solche im Extremfall führen kann weiß Broder sehr genau. Broder ist kein Wachrüttler, kein einsamer Rufer in der Wüste, sein Buch spielt mit weitverbreiteten Ressentiments und das ist gefährlich! ---

Ich klicke die Amazonseite zu „Hurra, wir kapitulieren!“ an und tatsächlich: Dort findet man mehrere Dutzend Lobhudeleien von Broders Brüdern im Geiste, aber sämtliche negativen Leserkritiken sind verschwunden: meine, Herrn Seidels und jede andere kritische Stimme, die ich noch zuvor dort gelesen hatte. (Meine eigene Rezension kann man bei Erhard Arendt noch nachlesen.)

Ebenfalls bei Erhard Arendt, und zwar hier (ganz nach unten scrollen) findet man die kritische Amazon-Rezension eines Robert Peters-Gercke zu Henryk Broders Buch, geschrieben am 27. September und betitelt mit „Panik, Panik, Panik“. Robert Peters-Gerckes Profil bei Amazon finden wir noch, aber seine Rezension hat sich scheinbar in Luft aufgelöst.

Die Leute, die diese kleine Säuberungsaktion durchgeführt haben, waren übrigens nicht sehr sorgfältig. In einer 5-Sterne-Rezension eines „Graf Haunsperg“ findet sich eine Passage großer Empörung darüber, dass gegen Broder tatsächlich noch Widerspruch stattfindet: „Und ausgrechnet die erste Rezension wird hier von einem selbsternannten Gutmenschen und Terroristenversteher geschrieben, der gerade mal einen Stern übrig hat (doch soviel???), während er wahrscheinlich verklärt den guten Rotwein in seinem Glas kreisen läßt, nachdem er diese Rezension geschrieben hat.“ (Ich bin mir sicher, es dauert keine fünf Jahre, und jeder, der hierzulande noch Muslime verteidigt, wird als „Terroristenversteher“ beschimpft.) Einige Amazon-Besucher dürften sich gewundert haben, von welcher Ein-Sterne-Rezension Haunsperg bloß sprach. In erfrischender Offenheit lässt unser Graf in den folgenden Absätzen die Katze aus dem Sack und macht klar, wie wenig es ihm in Wahrheit gegen Terroristen geht, sondern vielmehr gegen diese verfluchten Ausländer insgesamt: „Sie nutzen uns und unsere Sozialsysteme aus, ihre Heimatländer kassieren Milliarden an Entwicklungshilfe und wenn es dann noch nicht reicht, versuchen sie, uns Schuldgefühle einzuimpfen.“ Solche Sprüche hat man an deutschen Stammtischen schon lange vor dem 11. September gehört. Henryk Broder freut sich bestimmt einen Wolf, dass seine Worte bei solchen Lesern auf furchtbaren Boden fallen.

Da es immer schon mal mein Traum war, auch bei meinen Büchern Ein-Sterne-Rezensionen einfach verschwinden zu lassen, beschließe ich, mich bei Amazon zu erkundigen, wie man das bewerkstelligen muss. Also frage ich in einer Mail: „Als ich mir die Seite zu Henryk Broders Buch soeben noch einmal angeschaut habe, musste ich feststellen, dass in der Tat nicht nur meine, sondern auch sämtliche anderen Ein-Sterne-Rezensionen des Buches verschwunden sind, während selbst offen fremdenfeindliche Kommentare auf Ihrer Website noch zu lesen sind. Was geschieht da gerade?“ Zwei Tage später erreicht mich folgende Antwort einer Amazon-Mitarbeiterin:

--- Bei der standardmäßigen Überprüfung aller eingehenden Kundenrezensionen kam es in diesem Fall leider zu einem Übersehen der von Ihnen angesprochenen Inhalte. Daher wurden die Kundenrezensionen zunächst live gestellt. Nachdem der Fehler bemerkt wurde, wurden die Rezensionen jedoch umgehend entfernt. ---

Putzig. Darf man das verstehen, als: Wenn uns gleich aufgefallen wäre, dass diese Rezensionen kritisch sind, hätten wir sie erst gar nicht online gestellt? Ganz herzlichen Dank jedenfalls, mit dieser Antwort sind sämtliche Klarheiten vollständig beseitigt.

Herr Seidel, auch nicht untätig, erkundigt sich nun seinerseits im Bermudadreieck Amazon, wohin denn seine Rezension verschwunden sei. Ihm antwortet dieselbe Mitarbeiterin mit folgender Mail:

--- Ich habe Ihre Rezension erneut überprüft. Ihre Rezension haben wir jetzt wieder online gestellt. ---

Nichts davor und nichts dahinter, außer dem üblichen Blabla, wie sehr sich Amazon über jede Kundenrezension freue.

In der Tat, Amazon hat Herrn Seidels Rezension neu veröffentlicht. Und zwar gleich zweimal hintereinander: zuerst die ursprüngliche und darüber die leicht überarbeitete neue Fassung. Bin gespannt, wie lange sie dort stehen bleibt. Alle anderen kritischen Leserrezensionen bleiben bis heute verschwunden. Es fragt ja auch kein anderer bei Amazon nach. Wer kommt denn auf die Idee, Tage später noch einmal nachzuschauen, ob seine Rezension noch veröffentlicht ist? Wenn ich in meiner Buchbesprechung meine Identität nicht vollständig offengelegt hätte, wäre Herr Seidel auch nie auf den Gedanken gekommen, mich anzumailen, und dass hier sämtliche kritischen Rezensionen in einem Aufwasch entfernt worden waren, hätte niemand je zur Sprache gebracht.

Nun weiß natürlich jeder, der sich in der Branche auch nur ein bisschen auskennt, dass bei Amazon.de für Tricksereien sämtliche Tore sperrangelweit offen stehen. Besonders unterhaltsam ist es, wenn man sich die Amazon-Seiten zu manchen per Books-on-Demand erschienenen Werken anschaut, auf denen sich teils mehrere 100 sich vor Begeisterung überschlagende Rezensionen finden, die aber alle aus nur wenigen Zeilen bestehen und sämtlich in exakt demselben schauerlichen Deutsch geschrieben sind. Marketing für Doofe. Aber keinem dieser Autoren ist es gelungen, sämtliche Verrisse entfernen zu lassen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe keine Ahnung, was in diesem Fall vorgeht. Die Auskünfte von Amazon sind schließlich alles andere als erhellend. Weit möchte ich die Spekulation von mir weisen, der Autor selbst könnte hier seine Finger im Spiel haben. Jemand, der seinen ehemaligen Verleger öffentlich mit Hitler in Verbindung bringt oder einer Transsexuellen mitteilt, sie sei ein „ekelhafter schlamper“ und „verblödeter pädo-eunuch“, bei dem man sich nicht mal „mit einem tritt in die eier bedanken“ könne, und der sich auch sonst in Beleidigungen geradezu suhlt – der wird doch sicher weit gemäßigtere Kritik an ihm selbst ohne größere Probleme vertragen können? (Andererseits prozessiert Broder gerade gegen den Künstler Erhard Arendt, weil dieser Zitate von und über Broder in einer Weise zusammengestellt hatte, die auf Broder nicht gerade ein gutes Licht wirft.) Aber es sind unterschiedliche Hintergründe möglich: Haben fanatische Broder-Verehrer bei negativen Besprechungen massenweise „Diese Rezension ist unzumutbar“ angeklickt? Sitzt irgendwo bei Amazon ein ausländerfeindlicher Zausel, der meint, unter dem drohenden Ansturm der muslimischen Horden müsse die Meinungsfreiheit eben mal zurückstehen? Denkbar ist beides, wenn man sich die Hysterie einmal zu Gemüte führt, die in den gängigen Muslimhasserportalen tagtäglich am Wüten ist.

„Wir brauchen keine Raketen, genauso wie die Musels ohne Ausnahme unter unschuldigen Westlern wüten, werden wir unter ihnen wüten, Millionen von ihnen sind spot-on in unseren eigenen Cities, ohne Ausnahme können wir furchtbaren Schaden unter ihnen anrichten“ tobte noch vor kurzem ein Stammposter mit dem hübschen Nick „gespenstvonslobodan“ auf der Website „politically incorrect“, mit der auch Henryk Broder in einem innigen Verhältnis steht. Und weiter: „Ich hoffe schon nicht mehr das sich noch was ändern wird weil das eben auch nicht eintreten wird... also Musels aufgepaßt, wenn eure radikalen Wahnsinnsbrüder wieder was furchtbares aushecken werden auf unserer Seite tausende bereit sein das Grundgesetz und die Menschenrechte im Keller für spätere Zeiten zu verstauen... Und dann, Musels, dann fürchtet euch: Allah gibt es nicht, er ist nur ein kleines schmutziges Teufelchen in eurem Gedanken zum Gott erhoben, ihr werded das Feuer entfachen und nicht nicht ein einzelner von euch wird es überleben ...“

„Es gibt in Deutschland eine schleichende neue Akzeptanz für Fremdenfeindlichkeit“ hatte Bischöfin Margot Käßmann gestern auf einer BKA-Tagung gesagt. In einigen Teilen unserer Bevölkerung schleicht diese Fremdenfeindlichkeit schon lange nicht mehr. Sie rast. Und auch ich habe den Eindruck, dass sie sich immer mehr in die Mitte der Gesellschaft hineinbewegt.

Was hier bei Amazon geschehen ist, geht über die üblichen Autorentrickserien hinaus. Es hat eine politische Qualität. Sicherlich können Manipulationen bei diesem marktführenden Online-Buchhändler einem Autor schon die Taschen füllen: mehrere Dutzend begeisterte Rezensionen ohne einen einzigen Widerspruch, das kann einen enormen Anstieg der Auflage bedeuten, dann die SPIEGEL-Bestsellerliste, dadurch Einladungen in Talkshows, noch mehr verkaufte Titel, alles in allem eine enorme Bestätigung der narzisstischen Grandiosität. Drauf geschissen. Was viel gravierender ist und worüber meines Wissens noch nie geschrieben wurde, ist das enorme politische Manipulationspotential, das ein Unternehmen wie Amazon eröffnet. Stichworte Meinungsdruck und Schweigespirale: Man klickt auf die Website zu Broders Buch, findet nur seitenweise begeisterte Zustimmung und keinerlei Widerrede, denkt sich „Wenn es ALLE sagen, dann muss es wohl stimmen“ und überlegt sich in Zukunft dreimal, ob man die Klappe aufmacht, um sich für Muslime einzusetzen. Andernorts im Internet findet man hier wie dort auch kritische Stimmen zu Broders Buch, aber den Massen, die bei Amazon einkaufen, wird einhellige Zustimmung suggeriert. Wie lautete noch das Motto der amerikanischen Neokonservativen? „Let´s make our own reality“. Wer wissen wollte, wie es aussähe, wenn bestimmte Brüder hierzulande an der Macht wären, brauchte sich nur diese Amazonseite anzuschauen, bevor Herr Seidel wenigstens die Veröffentlichung seiner Rezension zurückerkämpfte: Da herrschte die Einheitsmeinung.

Samstag, November 11, 2006

Schwulendemo "Beleidigung von Holocaust-Überlebenden"

Eine Gay-Pride-Parade, die in Jerusalem stattfinden sollte, wurde abgesagt, nachdem ultraorthodoxe Juden in trauter Eintracht mit ihren muslimischen Glaubensbrüdern dagegen massiv protestiert hatten. In einer Petition an Israels Ministerpräsideten Olmert war von einer „Beleidigung der Überlebenden des Holocaust“ die Rede gewesen.

Zu manchen Dingen fällt auch mir kein passender Kommentar mehr ein.

"Jetzt langt´s - wir gehen!"

Endlich: Der billige Vorwurf des Antisemitismus wird von der politschen Allzeckwaffe zum Rohrkrepierer - so wie vorgestern in Frankfurt hätte man schon seit langem reagieren müssen. Natürlich sollte jeder das Recht haben, auch saudämliche Ansichten von sich zu geben. Genauso hat aber jeder, der beleidigt wird, guten Grund, das Gespräch zu beenden. Hoffentlich macht diese eindeutige Grenzziehung Schule.

Freitag, November 10, 2006

Führende Neocons zeigen Reue

In einem „Zeit“-Blog Jörg Laus findet sich ein hübscher Artikel über „Aussagen führender amerikanischer Neokonservativer (...), die auf beispiellose Weise dem Irak-Krieg, dem grossen aussenpolitischen Projekt des Neokonservatismus, abschwören.“ Lau: „Die Aussagen kommen einer totalen Bankrotterklärung der Bush-Politik gleich, die man so radikal kaum je von Bushs Gegnern aus der Demokratischen Partei vernommen hat - und dies aus dem inneren Zirkel der ehemals entschiedensten Falken. (...) (W)as prominente Neocons (...) zu Protokoll geben, ist in der Tat sensationell angesichts der vorherigen ideologischen Verbohrtheit und der schneidenden Schärfe der Neocons gegenüber jeglicher Kritik, vor allem aus Europa.“

Zu dem Erbe, das die Neokonservativen außer einem weltpolitischen Scherbenhaufen hinterlassen haben, gehört immerhin eine neue Vokabel in der englischen Sprache: Truthiness.

Neurowissenschaftler untersuchen Glossolalie

Wie die New York Times (unkompliziertes Log-In erforderlich) berichtet, untersuchen Neurwissenschaftler jetzt mit Gehirnscans ein Phänomen, das man gemeinhin mit „In Zungen sprechen“ bezeichnet. Dabei geben die Betroffenen ein in der Regel unverständliches Geplapper von sich, als ob sie von fremden Geistern oder einer höheren Kraft besessen seien. Die Erkenntnisse der Gehirnscans sind bemerkenswert - auch wenn ihre letztliche Interpretaion immer noch offen bleibt.

Donnerstag, November 09, 2006

Ausgerechnet "Polylux"?

Wie die meisten Leser dieses Blogs mindestens durch den Reklamebalken an der rechten Seite wissen, beschäftigt sich eines meiner Bücher mit Männern und Frauen, die sich schon seit einiger Zeit im Erwachsenenalter befinden, aber noch immer keine Erfahrungen mit Sexualität, Zärtlichkeit und Partnerschaft machen konnten. (Näheres zu dieser Gruppe und ihrem Empfinden erfährt man hier und hier.) Vorige Woche erreichte mich eine Anfrage des ARD-Magazins ”Polylux”, das darüber einen Beitrag bringen möchte und mich als „quasi die Ansprechperson Nummer 1 zu diesem Thema“ gebeten hat, beim Herstellen von Kontakten zu Betroffenen zu helfen.

Während ich mir eine größere öffentliche Wahrnehmung für diese Gruppe, ihre Probleme und Bedürfnisse sehr wünsche, war ich nicht gerade hellauf begeistert darüber, dass eine solche Anfrage gerade von „Polylux“ kam und meldete das auch entsprechend an die Produktionsfirma zurück. Im Frühjahr 2002 nämlich war ich schon einmal als Männerrechtler zum Thema häusliche Gewalt gegen Männer bei „Polylux“ gewesen, und da beide Themen (Männerrechte und häusliche Gewalt) damals noch extrem neu in den Medien war, schien der zuständige Redakteur keinen besseren Einfall gehabt zu haben, als daraus einen satirischen Beitrag zu stricken. Meinen Unmut darüber meldete ich in einer ausführlichen Mail an „Polylux“ zurück. (Ein Auszug: „Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass Sie einen vergleichbaren Beitrag über weibliche Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt fabriziert hätten, die dadurch oft in vergleichbarer Weise traumatisiert wurden. Aber damals entsprach es dem Zeitgeist, Männer, auch männliche Opfer, zu verhöhnen. (...) Zielscheibe der Satire hätten die sexistischen MachthaberInnen gewesen sein müssen, die eine Hälfte der Opfer ignorieren. (...) Sie werden verstehen, dass ich unter diesen Umständen große Bedenken habe, gerade Menschen ohne Beziehungserfahrung einen Auftritt bei Polylux zu empfehlen. Die Gefahr, dass sie in ähnlicher Weise vorgeführt oder lächerlich gemacht werden, erscheint mir doch recht groß. (...) Für eine Beschäftigung mit diesem Thema bräuchte es vor allem Einfühlsamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Fingerspitzengefühl. (...) Es bedürfte schon einiger sehr intensiver Gespräche, bevor ich mich davon überzeugen ließe, dass ausgerechnet das Thema "unberührter" Männer und Frauen bei Ihnen in guten Händen wäre.“)

Diese Gespräche, teils per Mail und teils per Telefon, haben inzwischen stattgefunden und konnten meine anfänglichen Bedenken weitgehend zerstreuen. Claudia Bäckmann, die „Polylux“-Mitarbeiterin, die mit mir Kontakt aufgenommen hatte, bedauerte die Form des damaligen Beitrags und teilte mir mit, dass der verantwortliche Redakteur nicht mehr für das „Polylux“-Team zuständig sei. Der aktuell geplante Beitrag werde von ihr selbst in die Hand genommen und sei nicht als Satire, sondern als ernsthafte Reportage angelegt. Als Referenz für ihren verantwortungsbewussten Umgang mit solchen Themen schickte sie mir eine DVD mit einem „Polylux“-Beitrag zu, den sie Anfang des Jahres über die Gruppe der Asexuellen produziert hatte. Bei diesem Beitrag gibt es in der Tat nichts zu beanstanden. Die Betroffenen wurden sympathisch und nachvollziehbar präsentiert, und ich hatte den Eindruck, dass sie die Aspekte benennen konnten, die ihnen wichtig waren. Darüber hinaus hatte ich mir am 30. Oktober im „Polylux“-Ableger „Monolux“ einen Beitrag Claudia Bäckmanns zum Thema „Jungenkrise“ angeschaut, der absolut in Ordnung war. An beiden Beiträgen, die Schwerpunktthemen meiner Arbeit betrafen (sexuelle Minderheiten und Probleme des männlichen Geschlechts), finde ich keinerlei Kritikpunkt.

Meiner Beobachtung nach (die ich Claudia Bäckmann auch mitgeteilt habe) reagieren viele Menschen ohne Beziehungserfahrung auf Anfragen von Medienseite generell so zurückhaltend, wie es mir speziell mit „Polylux“ gegangen ist. Mehr als einmal habe ich erlebt, dass Journalisten, welche die entsprechenden Internetforen aufsuchten, mit einer Welle aggressiven Misstrauens begrüßt wurden. Auch mir selbst ging es anfänglich kaum anders. Manche der Betroffenen scheinen die Meinung zu vertreten: „Es ist allerhöchste Zeit, dass in den Medien endlich offen über dieses Thema gesprochen wird, aber fragt um Gottes willen bloß nicht mich, wenn es darum geht, den Anfang zu machen!“ Es steht mir nicht zu, solche Haltungen in Frage zu stellen, das muss bei diesem heiklen und persönlichen Thema jeder so entscheiden, wie er es für sich als richtig empfindet. Ich allerdings möchte die Suche Claudia Bäckmanns nach Interviewpartnern unterstützen, weshalb ich ihre Mail hier veröffentlicht habe.

Mittwoch, November 08, 2006

Erdrutschsieg begräbt Bush: USA wieder demokratisch

O happy dayhaaay ... *träller*

Vor wenigen Wochen habe ich hier gebloggt, dass sich das Problem mit den neokonservativen Schlaumeiern wohl bald von selbst erledigen wird. Heute hat der Teil Amerikas, der für Folter, Krieg und staatlichen Mord steht, einen gehörigen Denkzettel erhalten. Jubel in vielen Teilen der Welt, Heulen und Zähneknirschen bei etlichen menschenfeindlichen Politikern und Kommentatoren. Sogar über ein mögliches Amtsenthebungsverfahren George Bushs wird inzwischen diskutiert. Und in der Tat ist es höchste Zeit, die gesamte Bande mit Schimpf und Schande zum Teufel zu jagen.

Ein besonderes Bonbon: Minnesota schickt den ersten Muslim in den Kongress! Da werden so einige Leute aber kraftvoll in ihren Teppich beißen.

Bleibt die Frage, warum viele Amerikaner es im Gegensatz zum Rest der Welt nicht schon Jahre früher erkannt hatten, mit was für einer Type sie es bei George Bush zu tun hatten, und ihm treudoof eine zweite Amtszeit gewährten. Liegt das wirklich nur am Trauma des 11. September? Nein, erklärt der New-York-Times-Journalist Frank Rich in seiner kürzlich erschienenen, fulminanten Analyse The Greatest Story Ever Sold: ein Buch, das in den USA sofort zum Bestseller wurde und das auch ich gerade mit großem Interesse verschlinge.

Rich untersucht in seinem Buch, wie George Bush und seine Gang den Terrorismus als willkommene Gelegenheit nutzten, um sich selbst Macht und Reichtum zu sichern. Dabei legt er besonderes Augenmerk auf die umfangreiche PR-Maschinerie, die das Kunststück fertigbrachte, eine ganz eigene Wirklichkeit zu erzeugen: „creating our own reality“, um mit den Bushisten zu sprechen.Richs recherchestarke Analyse (hundert Seiten Anhang mit einer exakten, durch Quellen und Zitate belegten Chronologie aller Skandale) fasst die zentralen Vorgänge der letzten Jahre zusammen: Wie die Neokonservativen mit Schmierenkamapgnen intellektuelle Regierungskritiker wie Susan Sontag und Noam Chomsky geradezu zu Staatsfeinden erklärten, wie sie auch der politischen Opposition verbieten wollten, George Bush zu hinterfragen („Wie kann es Senator Daschle wagen, George Bush zu kritisieren, während wir unseren Krieg gegen den Terror führen?“), wie sie der amerikanischen Bevölkerung weismachten, Saddam Hussein verfüge über bedrohliche Massenvernichtungswaffen, wie sie einen „Sieg“ im Irakkrieg inszenierten, der keiner war, wie sie mit Pressemeldungen manipulierten und gefälschte Leserbriefe pro Krieg von angeblichen Soldaten an Zeitungen sandten - und wie eilfertig sich viele amerikanischen Medien selbst zensierten, um nicht als Vaterlandsverräter dazustehen. Rich zeichnet so das Bild einer fast schon totalitär anmutenden Kontrolle der öffentlichen Meinung, wobei sich immer mehr herausschält, dass man entweder Bushist sein kann oder Liberaler, aber auf keinen Fall beides zusammen.

Wenn dieses Buch je in deutscher Übersetzung erscheint, müsste es eigentlich ein besonderes Vorwort enthalten über die vielfältigen Versuche, auch hierzulande sämtliche Kritiker am Großen Führer George W. Bush durch den Schmutz zu ziehen: indem man sie etwa als „antiamerikanisch“ beschimpfte und manchmal, mit Hilfe einer besonders verqueren Logik, sogar als „antisemitisch“. Da wurden schon sämtliche denkbaren Register gezogen, um möglichst viele kritische Geister dazu zu bringen, aus Angst um ihren guten Ruf lieber die Klappe zu halten. Deutsche Medien, die sich erdreistet hatten, Bush zu kritisieren, von „Spiegel“ über den „Weltspiegel“ bis zu „Panorama“, sind für so einige neokonservative Blogger und ihre Leser grundsätzlich des Teufels; kurioserweise sind es dieselben Blogger, die sämtliche Deutschen als „autoritätshörig und rechthaberisch“ verächtlich machen: ein Musterbeispiel jenes Prozesses, den Psychologen gemeinhin als Projektion bezeichnen. (Und wer glaubt, dass eine politische Gruppierung, die 1,5 Milliarden Moslems kollektiv als überempfindlich und hyperaggressiv darstellt, bei uns Deutschen weniger chauvinistisch wäre, der zeigt eine beachtliche Naivität. Wie perfekt Rassisten, Neocons und Antideutsche Hand in Hand arbeiten, hat man in der Bloggerszene der letzten Jahre ja bestens beobachten können.)

Wenn man einige Zeit lang in verschiedenen neokonservativen Blogs gelesen hatte, entdeckte man vor allem zwei herausragende Charakterzüge: ein atemberaubendes rhetorisches Feuerwerk, das häufig die nüchterne Faktenlage überdecken sollte, und ein Stil der geradezu grenzenlosen Arroganz. Wer immer sich der Ideologie dieser selbsternannten Weltbeglücker nicht anschließen mochte, wurde zwischen Kleinkriminellen und Halbidioten eingeordnet. Offenbar gehört zum neokonservativen Selbstbild als Erlöser der Menschheit eine gehörige Portion Narzissmus. Ärgerlich ist es allerdings, wenn die „unterbelichteten, rechthaberischen Deutschen“ dann aber tatsächlich in allen Punkten Recht behalten haben: von Saddam Husseins nicht existenten Massenvernichtungswaffen bis zum erwartbaren Riesen-Fiasko der US-Truppen im Irak. Viele ältere Beiträge aus der neokonservativen Bloggerszene wirken da rückblickend betrachtet hochnotpeinlich. Unverdrossen ignorierten das Dabbeljuhs Mannen und nahmen für den nächsten Völkerrechtsbruch bereits den Iran ins Visier. Für so viel Unbelehrbarkeit werden sie jetzt selbst mit einem riesigen Besen aus der Geschichte gefegt.

Aber genug damit. Diese Ideologie ist kläglich gescheitert, auch wenn der Hass uns noch mindestens über Jahre hinweg beschäftigen wird, den die Broders, Miersches und Herres in die Welt gestreut haben und sicher auch weiter streuen werden. Es liegt einiges an Aufräumarbeit vor uns. Was wir jetzt brauchen, ist vor allem ein starkes Europa, das sich gegenüber den USA gut behaupten kann und sich nicht von jedem Gauner an die Kandare nehmen lassen muss, der im Weißen Haus gerade das Sagen hat. Unberstritten gibt es eine ganze Reihe von internationalen Herausforderungen, auch und gerade im islamischen Teil unserer Welt. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn man sich endlich verantwortungsbewusst damit auseinandersetzen könnte, statt zu sehr damit beschäftigt zu sein, ständig vor unserer eigenen Tür kehren zu müssen.

Dienstag, November 07, 2006

Seidl: "Der Zwiebelfisch stinkt vom Kopf her"

Für Claudius Seidl ist Bastian Sick der Schutzheilige aller Bildungsprolls: Der Zwiebelfisch stinkt vom Kopf her. Ein pointierter Artikel, und dem Tipp, statt Sick lieber Wolf Schneider zu lesen, kann ich nur zustimmen. Bestseller allerdings scheint man heute eher mit einem halb witzigen, halb verächtlichen Tonfall zu fabrizieren, wie man ja aktuell auch bei der Islamdebatte sieht. Welche Bedürfnisse der Leserschaft damit wohl erfüllt werden?

Samstag, November 04, 2006

Tony Judt im Interview

Nachschlag zu gestern: Tony Judt in voller Länge, weil er einfach perfekt beschreibt, was in Deutschland und international momentan vor sich geht, und ein weiterer Artikel aus der "jungen welt", dessen Autor darin äußerst klare Worte findet.

Freitag, November 03, 2006

Fall Broder jetzt auch Fall Gysi

In den letzten Wochen gab es ein enormes Spektakel um eine Protestaktion gegen einen Auftritt des Polemikers Henryk M. Broder bei einer Podiumsdiskussion über „Die ewige Lust an den Tätern“. Das Scharmützel erstreckte sich über mehrere Blogs, ich habe hier allerdings wegen einer leichten Übersättigung an diesem Thema auf eine Kommentierung verzichtet. Einen Link auf einen abschließenden Bericht über diese Debatte möchte ich mir aber doch gönnen – auch weil aus dem Fall Henryk Broder mittlerweile auch ein Fall Gregor Gysi wird.

Wer sich ernsthaft mit den ganzen Hintergründen dieses Konfliktes beschäftigen mag (und erfahren möchte, warum ich den verständlichen Protest gegen Broders Auftritt _nicht_ unterstützt habe), findet wie immer sämtliche relevanten Texte bei Erhard Arendt.

Und da ich das Fass eh gerade wieder aufmache: Zur Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit durch die Israel-Lobby, zu der Broder gehört, berichtet aktuell auch die "Zeit". Viele von uns erfuhren bei unerwünschten Äußerungen durch Attacken dieser Lobby ja bereits große Freude.