Dienstag, Oktober 17, 2006

17. Oktober 2006

Ich bin in den letzten Tagen endlich dazu gekommen, Norah Vincents Self-made Man zu lesen und bin sehr davon angetan. Norah Vincent ist eine New Yorker Journalistin, die für dieses Buch ein Jahr lang in den verschiedensten sozialen Gemeinschaften verkleidet als Mann lebte und dabei tiefergehende und wahrhaftigere Erkenntnisse über Männer wie Frauen sammeln konnte, als man sie in den meisten anderen Büchern zur Geschlechterdebatte findet.

Ein Satz auf Seite 272 bringt diese Erkenntnisse recht gut auf den Punkt: „Die Heilung der Männer ist auch im Interesse der Frauen, obwohl diese Heilung für Frauen bedeutet zu akzeptieren, dass auf einer Ebene Männer nicht nur ebenfalls – hier kommt das befürchtete Wort – Opfer des Patriarchats sind, sondern (und das wird am schwersten zu schlucken sein) Frauen für dieses System mitverantwortlich sind, manchmal genauso viel investiert haben und genauso aktiv wie die Männer selbst waren, um Männer in ihrer Rolle zu halten.“ Und auf der allerletzten Seite des Buches heißt es: „Männer hatten ihre Emanzipationsbewegung noch nicht. Nicht wirklich. (...) Und sie haben genauso ein Recht darauf wie die Frauen, mit denen sie leben und kämpfen, die sie umsorgen und lieben.“ Eigentlich ist das ein Titel, der in jede gut sortierte „maskulistische Bibliothek“ gehört.

Bei Amazon-USA erntete das Buch 98 Leserrezensionen, die sich auf vier von fünf Sternen einpendelten. Es erntete große Berichte in der Presse, war im Verkauf offenbar erfolgreich und kam in den unterschiedlichsten
Editionen bis hin zum Hörbuch heraus. Dass bis jetzt keine deutsche Übersetzung abzusehen ist, überrascht nichtsdestotrotz kaum. Im Gegensatz zu sehr viel Ami-Schrott, der sofort einen deutschen Lizenznehmer findet, ist Norah Vincents Geschichte möglicherweise schlicht zu wahr für viele deutsche Verlage.