Freitag, September 29, 2006

29. September 2006

Meinungsdelikte sind meistens grotesk, aber mit diesem Hakrenkreuz-Irrsinn bekomm ich noch mal die Krätze. In jeder dritten Hofeinfahrt und jedem zweiten Aufzug findet man dieses Symbol hingeschmiert, aber irgendwelche US-Comics, in denen meinetwegen Captain America gegen Nazis kämpft, dürfen nicht importiert werden, wenn sich darin dieses Zeichen des Bösen wiederfindet. Und jetzt auch noch diese Nummer. Die Verantwortlichen hierzulande vertreten eine wirklich extrem binäre Logik.

Mittwoch, September 27, 2006

noch 27. September

Wenn das so weiter geht, ist die Staatsanwaltschaft wegen der „Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole“ auch hinter mir her. Dieser hübsche Aufkleber schräg hinter dem Herrn mit der Sonnenbrille klebt bei mir zu Hause auch an einer Zimmertür. Offenbar ist die damit verbundene Geisteshaltung auch schon wieder verboten.

27. September 2006

Programmtipp für heute und die nächsten Mittwochabende: Auf VOX läuft die neue Anwaltsserie Boston Legal an. Ihr Macher, David E. Kelley, ist durch vergleichbare, immer etwas schräge Serien wie „Picket Fences“ und „Ally McBeal“ bekannt geworden. Wenn Sie damit etwas anfangen konnten, sollten Sie auch bei „Boston Legal“ mal vorbeischauen. Eine kleine Warnung allerdings: Es mag anfangs ein bisschen schwierig sein, sich in die Verhältnisse der Hauptpersonen zueinander einzufinden, weil „Boston Legal“ nahtlos an Kelleys vielleicht beste Anwaltsserie „The Practice“ anschließt (15 Emmies, drei Golden Globes), die in Deutschland aufgrund einer irrwitzigen Programmplanung leider unterging: Die ersten vier Staffeln liefen mittags um zwölf auf Pro 7, die letzten vier Staffeln wurden hierzulande gar nicht mehr ausgestrahlt. Zumindest die ersten Folgen, die ich von „Boston Legal“ gesehen haben, sind nicht so tiefgründig und inhaltlich brutal wie „The Practice“, die Serie kann ich aber dennoch guten Gewissens empfehlen. Auch „Boston Legal“ erhielt bereits die ersten Emmies und Golden Globes.

Sonntag, September 17, 2006

17. September 2006

Party´s over.

Nachdem in den letzten Wochen schon meine Blogeinträge zum Konflikt zwischen Antideutschen, Antiimperialisten und Neokonservativen immer weniger geworden sind, werde ich mich jetzt komplett daraus zurückziehen.

Ein Grund dafür liegt darin, dass die Neocons immer offensichtlicher ohnehin auf dem absteigenden Ast sind. Der Irakkrieg wird auch in der amerikanischen Öffentlichkeit zunehmend als das ”Fiasco” erkannt, das er ist, und der Schlächter aus Texas gerät selbst in den eigenen Reihen immer mehr unter Beschuss. Sein Lakai Tony Blair wird politisch abgestraft und beginnt auf Distanz zu gehen, und nach Bushs Bekenntnis zu geheimen Folterlagern zieht selbst Angela Merkel ihren Kopf allmählich aus seinem Hintern heraus. Die immer wieder beschworene „Wertegemeinschaft“ mit den USA wurde in den letzten Wochen in den verschiedensten Artikeln von „taz“ bis ”Welt” gut begründet in Zweifel gezogen. Das Bild vieler Deutscher über das Vorgehen Israels ist durch den Libanonkrieg viel deutlicher geworden, und mittlerweile darf sogar der Zentralrat der Juden in Zeitungsartikeln kritisiert werden, ohne dass gleich die Hölle losbricht. Deutschland ist in dieser Hinsicht eine freiere Gesellschaft geworden. Und je länger ich mich mit dem Thema Iran beschäftige, desto weniger sehe ich trotz aller martialischen, aufhetzenden Rhetorik die reale Gefahr eines baldigen Krieges.

Dementsprechend dünnhäutig fallen mittlerweile die Reaktionen des neokonservativen Lagers aus. Fast stündlich geht dort momentan ein erneutes Aufjaulen durch die Bloggerszene. Selbst Henryk Broder, der früher trotz allen inhaltlichen Irrsinns immerhin noch amüsant und unterhaltsam zu lesen war, zeigt sich in den letzten Wochen nur noch entnervt und frustriert und greift wieder zum Leute-Beschimpfen als einzigem rhetorischen Stilmittel zurück. Wenn ich bei der „Achse“ ein Abo hätte, wäre das der Zeitpunkt, wo ich es kündigen würde.

Was die USA betrifft, gehe ich davon aus, dass mit der Ära Bush dasselbe passiert, was in den Vereinigten Staaten grundsätzlich mit solchen Epochen geschieht (Völkermord an den Indianern, Sklaverei, Rassengesetze, Internierung der Japaner, McCarthyismus usw. usf.): Ein paar Jahrzehnte später werden alle ganz betroffen sein, dass solche furchtbaren Entwicklungen stattfinden konnten, aber jetzt habe man das ja alles überwunden und sei ein viel großartigeres, moralisch reiferes Land geworden, blablabla. Und alle Broders, Mierschs, „politisch inkorrekten“ Rassisten und was da noch so alles zwischen Antideutschen und Neokonservativen kreucht und fleucht, wird nach dem Fall von George Bush und seinen Jungs völlig bruchlos zu anderen Themen weiterschreiben und so tun, als wäre nie irgendetwas gewesen.

Jedenfalls habe ich keine Lust, mich weiterhin immer wieder mit diesen hasserfüllten Texten zu vergiften. Deshalb habe ich beschlossen, diese Szene mit ihren aggressiven Ressentiments sich selbst zu überlassen. Über dieses Sammelsuriuman Blogs hinaus erstreckt sich ihr politischer Einfluss ohnehin kaum.

Ich glaube, der Beitrag, der für mich endgültig den Ausschlag gegeben hat, war dieser hier über Michel Friedman. Der plädiert für „Präventivschläge“ gegen „eine Milliarde Menschen“. Ab einem bestimmten Level der Absurdität, kann man nicht mehr ernsthaft diskutieren. Man stelle sich vor, was für ein Aufschrei durch die deutsche Islamhasserszene gegangen wäre, wenn ein bekannter muslimischer Journalist „Präventivschläge“ gegen die „westlichen Invasoren“ gefordert hätte ... Solche Scharfmacher auf beiden Seiten sollte man wohl besser ignorieren, als ihren Irrwitz durch immer neue Kommentare aufzuwerten. Und das funktioniert ja auch. Ich habe den Eindruck, Friedman könnte sogar wieder Artikel schreiben, die Sinn ergeben, und er wäre trotzdem bei den allermeisten Deutschen weiterhin diskreditiert. Wen er gerade umbringen lassen will und wen nicht, ist für die politische Debatte mittlerweile vollkommen irrelevant.

Apropos Islamhass: Das scheint in der Tat die letzte Waffe im Arsenal der Neokonservativen zu sein, und bei der deutschen Bevölkerung finden sie dabei ja in der Tat einen Rückhalt wie die Antisemiten in den zwanziger Jahren. Dementsprechend genüsslich wird auch jeder einzelne durchgeknallte Muslim (von immerhin 1,2 Milliarden weitgehend komplett unauffälliger Muslime) in entsprechenden Veröffentlichungen zelebriert. Als Männerrechtler fühlt man sich hier an radikale Feministinnen erinnert, welche die Tatsache, dass bisher noch jeder Amokläufer männlich war, als ehernen Beleg für „die natürliche Gewaltbereitschaft des Mannes“ nutzen wollen, wobei ihnen komplett am Arsch vorbeigeht, dass die weit überwiegende Zahl aller Männer ein durchgehend gewaltfreies Leben führt. Vorurteile wollen eben nicht widerlegt, sondern nur bestätigt werden.

In diesem Sinne bezweifle ich mittlerweile, dass die Dauerdistanziererei von muslimischen Verbänden gegenüber Terroristen besonders sinnvoll ist. Genausowenig erwarte ich von Männerrechtlern, dass sie sich von jedem einzelnen männlichen Gewalttäter distanzieren oder vom Zentralrat der Juden, dass er gegenüber jeder einzelnen Streubombe und jedem einzelnen Menschenrechtsverbrechen Israels seinen Abscheu erklärt. Von Vertretern aller drei Gruppierungen erwarte ich allerdings, dass sie für Gewalttaten kein Verständnis bekunden und nicht rhetorisch noch weiteres Öl ins Feuer gießen.

Generell halte ich an meiner Empfehlung fest, die ich im Muslimmarkt-Interview gegeben habe: Wenn Muslime etwas gegen ihre Diskriminierung unternehmen möchten, dann sollten sie daran arbeiten, ihre Stimme in den Medien hörbarer zu machen. Mehr muslimische Journalisten, die ein Gegengewicht zu den Broders und Naumanns unserer Medienwelt bilden, wären von Vorteil. Ich weiß auch nicht, warum das so problematisch sein sollte: Muslime sind zahlreich genug und sollten über die Multikulti-Bewegung auch politisch und journalistisch vernetzt genug sein, um sich mit vernünftigen Argumenten zu Wort zu melden. Aber ich bezweifle, dass ich mit gelegentlichen Einträgen in diesem doch recht unbedeutenden Blog hier eine große Hilfe sein kann.

Dieses Blog wird sich in Zukunft wieder persönlicheren Einträgen widmen, für die es ursprünglich ja auch gedacht war. Da Politik in meinem Denken eine große Rolle spielt, wird es immer wieder mal auch politische Einträge geben. Das soll aber nicht zur Eigensatire werden wie das Blog der „Achse“, in dem momentan alle paar Tage jetzt aber wirklich das Schlusswort zum verhassten Günter Grass gesprochen wird, wenn immer die Jungs dort einen neuen Artikel entdecken, der ihrer Meinung entspricht. Wer die Kampf-der-Kulturen-Debatte weiter verfolgen will: Ich habe hier immer wieder auf empfehlenswerte Websites und Blogs verlinkt, auf denen das hervorragend möglich ist.

Ansonsten gibt es politische Links und Texte von mir weiterhin in meinem altbekannten Blog GENDERAMA (wo es im aktuellen Eintrag eher zufällig um einen der populärsten Irrtümer der Islamhasser geht) sowie eher unpolitische Beiträge in meinem neuen Blog PLANET SEX, welches das Schwerpunktthema meiner Buchveröffentlichungen begleiten und sich erfreulicheren Themen widmen wird.

Sonntag, September 10, 2006

10. September 2006

Heute mal wieder ein DVD-Tipp: Ein sehr gelungener und einfühlsamer Film über sexuellen Missbrauch - hier in der Lehrer-Schülerin-Variante - ist Blue Car. (Siehe auch hier die durchmischten, aber weit überwiegend positiven Besprechungen im Portal Rotten Tomatoes.)

Freitag, September 08, 2006

8. September 2006

Evangelist drowns trying to walk on water

Sonntag, September 03, 2006

noch 3. September

Anis Hamadeh hat ein Deutschland-Essay verfasst. Ein Auszug:

„Man stelle sich vor, eine Stadt wie Hamburg stünde unter der militärischen Besatzung eines Kolonialstaates. Man stelle sich weiter vor, Panzer fahren auf der Hafenstraße und die Leute dürften sich nicht mehr selbst verwalten. Die Besatzer bauen dann eine Siedlung auf der Elbchaussee und entwurzeln die Bäume, nachdem die eigentlichen Bewohner vertrieben und enteignet wurden. Natürlich werden sich in Hamburg Leute finden, die sich dem auch mit Gewalt entgegenstellen. Deren Häuser würden dann zerstört. Aus Hubschraubern werden Raketen in Menschenmengen geschossen. Kinder werden `aus Versehen´ auf dem Weg zur Schule erschossen. Bei jeder Beerdingung würden sich neue gewaltbereite Hamburger finden, und die Besatzungsmacht würde betonen, dass sie so lange weitermacht, bis sie alle Terroristen ausgeschaltet hat. Die ausländischen Medien würden nicht über die Mainstream-Gesellschaft in Hamburg berichten, sondern über die Terroristen, und die Zuschauer würden sagen: Ja, die Hamburger und die Deutschen sind Terroristen. Sie müssen das Existenzrecht der Besatzungsmacht anerkennen!“

3. September 2006

Die Attacken des Zentralrats der Juden in Deutschland auf jene, die Israels Einsatz von Streubomben kritisieren, erregen auch international Aufmerksamkeit. In dem Artikel When Criticism of Cluster Bombs is “Anti-Semitic” hat Stanley Heller einiges dazu zu sagen. In demselben Artikel berichtet er, dass inzwischen über 800 amerikanische Juden eine Erklärung unterzeichnet haben, die zu „jüdischer Solidarität mit Muslimen und Arabern im nahen Osten“ aufruft. Die Unterzeichner legen dar, dass sie empört über die Gewalt seien, die in ihrem Namen begangen werde, und befinden, dass es keine Sicherheit für Juden in einem Land geben könne, das zu solchen Mitteln greife. Außerdem sammeln die jüdischen Menschenrechtler für eine entsprechende ganzseitige Anzeige in der „New York Times“. Traurig, dass es hierzulande nur Einzelne gibt, die ähnlich klare Worte finden – und die deshalb von den Gegnern von Frieden und Menschenrechten herausgegriffen und persönlich niedergemacht werden können.

Freitag, September 01, 2006

noch 1. September

Schön, dass einige Leute doch dazu gelernt haben! Ich muss noch einmal an Möllemann erinnern: Als er der israelischen Regierung „Staatsterrorismus“ vorwarf, reihte sich Bettina Gaus von der „taz“ fröhlich bei jenen ein, die ihm dafür Massenkeile verpassten. Inzwischen ist auch ihr anscheinend ein Licht aufgegangen. Denn was lesen wir von ihr heute, kaum tausend Tote später: „(S)o wenig Kritik an einer US-Regierung ein Ausdruck von Antiamerikanismus ist, so wenig ist Kritik an einer israelischen Regierung ein Ausdruck von Antisemitismus. Für beides gibt es ein anderes Wort. Es heißt Demokratie.“

1. September 2006

Es kommt öfter schon vor, dass ich hier einen fremdsprachigen Beitrag verlinke und er Tage später in einer deutschen Zeitung übersetzt erscheint. Katha Pollitts ”Wrong War, Wrong Word” hat aber besonders viel Zustimmung gefunden, weshalb er gleich zweimal übersetzt wurde: Hier von Big Berta und einen Tag später von der taz.