Montag, März 06, 2006

6. März 2006

Heute hatte ich die neuste Ausgabe unseres liberalen Magazins „eigentümlich frei“ im Zeitungsrohr und war davon mal wieder sehr angetan. Zwei Beiträge Kaspar Rosenbaums stellen sich sogar, jeder für sich, als echte journalistische Offenbarung im besten Sinne des Wortes heraus.

Über fünf Seiten zieht sich die ebenso brillante wie mutige Analyse „Sarajewo, Dänemark“, in der Rosenbaum aufzeigt, wie gut sich Liberalismus und Pazifismus verknüpfen lassen. Dabei nimmt er wahrlich kein Blatt vor den Mund. Wer sich damals schon wegen meinem harmlosen Muslim-Markt-Interview in seinen Teppich verbiss und unserem Magazin ewige Feindschaft schwor, müsste nach dem Lesen dieses Beitrags eigentlich für die nächsten paar Stunden funkensprühend unter der Decke hängen. Dieser Text liefert wirklich Zündstoff! Und wenn es einen Reader zum „Kampf der Kulturen“ gäbe, würde er dort unbedingt hineingehören. Ich muss hier einfach ein paar Passagen sehr ausführlich zitieren; lesenswert ist natürlich der komplette oben verlinkte Text.

Zum Karikaturenstreit:
--- Zwölf Karikaturen wurden (...) gedruckt und – es war ja schließlich auch das Ziel – die moslemische Gemeinde empörte sich. Sie empört sich nicht zuletzt auch deshalb, weil mit Karikaturen über Moslems manch einer in Europa sein Mütchen kühlt, der dies etwa mit Karrikaturen über den jüdischen Glauben niemals tun würde. Man ist empört über zweierlei Maß. So wird also die Reaktion einigermaßen nachvollziehbar. Auch für jene, welche die Meinungsfreiheit hochhalten. Auch sie können es wenigstens etwas nachvollziehen, auch wenn sie ohne Wenn und Aber sagen: Jeder hat das Recht, in seiner Zeitung, die andere nicht kaufen oder lesen müssen, das zu sagen und abzubilden, was er will. Jeder hat auch das Recht, in einem Film, den andere nicht kaufen oder sehen müssen, das zu zeigen, was er will. Jeder hat das Recht, Moslems zu beleidigen. Jeder hat das Recht, Christen zu verhöhnen. Jeder hat das Recht, Judenwitze zu machen. Jeder hat das Recht, Homosexuelle zu diskriminieren und ihnen die Menschlichkeit abzusprechen. Jeder hat das Recht, ausländerfeindlich zu sein. Jeder hat das Recht, den Holocaust zu leugnen. Oder etwa nicht?
Diese kleine Auflistung macht deutlich, wie verlogen die meisten derjenigen sind, die jetzt so heldenhaft für die „Meinungsfreiheit“ streiten. Denn wo war denn die „taz“, als in Frankreich die ersten Menschen vom Staat mit hohen Geldstrafen belegt wurden, nur weil sie „ausländerfeindlich“ sprachen? Wo war die „Welt“, als ebendort noch höhere Strafen an „homophobe“ Schwulenhasser verhängt wurden? Und vor allem: Wo waren denn die „Welt“ und die „taz“, als jüngst Geschichtsrevisionisten wie Germar Rudolf oder David Irving in Deutschland und in Österreich verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wurden, weil sie nichts anderes taten, als eine abweichende Meinung zu historischen Fragen zu vertreten? Jene, die jetzt bereit sind, in den Krieg zu ziehen für das hohe „westliche Gut der Meinungsfreiheit“ haben dieses an anderer Stelle tausendmal verraten. ---

Zum deutschen demokratischen Glaubensbekenntnis:
--- Schauen wir uns deshalb diese, ihre, Geschichte mal genauer an. Sie wird ja vermutlich von etwa 99 Prozent der Deutschen geglaubt. Nennen wir sie deshalb mal das „Deutsche Demokratische Glaubensbekenntnis“. Dieser Katechismus besteht aus zwei Suren und lautet: „Das Vergleichsverbot“ als erster nicht hinterfragbarer Glaubenssatz: „Es war einmal der schlimmste und mit nichts vergleichbare Verbrecherstaat, den es je gab.“ Gemeint ist Hitlerdeutschland. Und die Demokratische Heiligkeit als zweiter nicht hinterfragbarer Glaubenssatz: „Dieses unvorstellbare Reich des Bösesten konnte nur überwunden werden, weil die edlen und guten und vor allem demokratischen Amerikaner dagegen kämpften und es besiegten.“ Was passiert, wenn man gegen die Vergleichsverbotssure verstößt, erfuhr etwa Martin Hohmann zuletzt sehr eindringlich. Es war dieser verbotene Vergleich von Nazideutschland mit Sowjetrussland, der ihn dergestalt zu Fall brachte, dass man seine eigentlich kollektivismus- und damit geschichtsglaubenskritischen Aussagen – „es gibt kein Tätervolk, es gibt nur einzelne Täter“ – ins Gegenteil verkehrte. Die Missachtung der Demokratischen Heiligkeit bleibt in Deutschland ebenfalls nicht ungesühnt. Natürlich ist der Deutsche Demokratische Glaube wie jede Religiosität kaum durch Fakten belegt. Natürlich gab es erstens viele Grautöne. Und es gab ganz sicher noch schlimmere Terrorstaaten als Nazideutschland, etwa den amerikanischen Kriegsverbündeten Sowjetunion. Stalin hat wesentlich mehr Menschen auf dem Gewissen als Hitler. Und schlimmer noch: Als die Amerikaner an seiner Seite in den Krieg eintraten, gab es noch keinen Holocaust in Deutschland, sehr wohl aber bereits viele Millionen Opfer stalinistischer Säuberungen. ---

Zur aktuellen Lage:
--- Ja, sie meinen es ja auch alle nur gut – „die Westler“. Und vor allem „die Amerikaner“. So wie sie es „mit Deutschland“ gut meinten, als sie an der Seite Stalins in den Krieg zogen. „Der Westen“ muss sich eben so stark im Nahen Osten „engagieren“, um dort den Menschen zu helfen, etwa „die Iraker“ oder zukünftig „die Iraner“ zu „befreien“ oder zu „demokratisieren“. Die deutschen Glaubensbrüder huldigen der Offenbarung gerne. Sie ist Bestandteil ihrer (Geschichts-) Religion. Im Nahen Osten und auch in den Vorstädten von Paris oder Berlin glaubt dieses Märchen dagegen kein Moslem. Wenn die amerikanische Armee mit Waffengewalt helfen wollte, würde sie sich ihre Verbündeten etwas genauer ansehen. Sie würde auch viel eher die weit mehr unter ihrem Regime leidenden Nordkoreaner befreit haben als die Iraker. Oder sie könnte zum Beispiel mit spielender Leichtigkeit im Norden Ugandas die laut UNO „brutalste Terrorgruppe der Welt“, die „Lord’s Resistance Army“ besiegen, die dort im Namen von Jesus Christus in den letzten 10 Jahren mehr als 100.000 Menschen auf ekligste Art und Weise abgeschlachtet hat. Aber „der Westen“ im allgemeinen und die USA im besonderen haben wenig Interesse an den Menschen in Nordkorea. Und noch weniger an den Opfern in Uganda. ---

Zum Grundproblem:
--- Bisher ist es noch eine eigentümlich freie Minderheit, ob im Irak, im Iran, in Dänemark oder in Deutschland, die weiß und nicht erst ahnt, dass die Gründe für all den Irrsinn dieser Tage dieselben sind wie bei allen beginnenden Kriegen zuvor auch: Kollektivismus und Etatismus. Es ist das Denken in Kollektiven – von „den Moslems“, „den Dänen“ oder „dem Westen“. Und es ist das Wesen des Staates, der Menschen in Gruppen einteilt und aufeinanderhetzt, welches mittelfristig jetzt erneut zu Abermillionen Opfern führen könnte. ---

Zu einem satirischen, aber wirklichkeitsnahen Szenario:
--- Der österreichische Libertäre Rahim Tagizadeghan beschreibt im Internettagebuch auf „Liberty.li“ sehr eindringlich, wie solch ein Szenario der sich überschlagenden politisch-kollektivistischen Dummheit aussehen könnte: „Ein Muslim steckt einen Nichtmuslim mit Grippe an. Eine Satirezeitschrift greift dies auf. Ein vertrottelter Leser nimmt es ernst und schreibt einen Leserbrief an eine Klatschzeitung und beklagt sich über die keimverseuchten Zuwanderer. Eine Gutmenschenvereinigung strengt eine Klage wegen Rassismus und Antiislamismus an. Die Zentralräte schreiben Presseaussendungen. Deutsche Konvertiten zum Islamismus tingeln durch die Talkshows. Eine populistische Ein-Prozent-Partei fordert Quarantäne für muslimische Zuwanderer. Nigeria hält eine französische Krankenschwester einen Tag am Flughafen fest, um sie auf Aids zu testen. Frankreich protestiert und verweist auf seine Atomwaffen. Ein ungebildeter iranischer Beamter aus der zweiten Reihe meint bei einer Konferenz, bei einem Angriff würde der Iran Nigeria beistehen. Die Angelegenheit erobert die Titelseiten. Die Europapräsidentin spielende Ministerin eines unbedeutenden
Landes sichert die ungeteilte Solidarität des Westens zu. Der Botschafter des Landes wird aus Saudiarabien verwiesen. Die ‘Bild’-Zeitung titelt: ‘Muslime erklären Westen den Krieg’. Ein besoffener deutscher Skinhead verpasst einem Muslim ein blaues Auge. 1.000 Berufsdemonstranten aus der gesamten islamischen Welt werden eingeflogen und zünden eine Mc Donald’s-Filiale im Libanon an. Die USA antworten mit Flächenbombardements. Ein zum Islam konvertierter Brite erhält vom iranischen Geheimdienst ein Paket Uran und zündet dieses mit einem Sprengsatz. Diese schmutzige Bombe bleibt wirkungslos, doch in den Medien ist von Atomkrieg die Rede. Dies ist natürlich übereilt, denn erst am nächsten Tag fliegen die Atombomben.“ So ähnlich haben andere Weltkriege auch begonnen. Und doch gibt es begründete Hoffnung dafür, dass alles vielleicht doch ganz anders kommt. Denn die Aufregung auf islamistischer wie auf kämpferisch-westlicher Seite wirkt bei genauem Hinsehen doch immer noch so aufgesetzt wie ihre inszenierten Antidänendemos oder ihre heuchlerische Meinungsfreiheitsfassade. Noch lassen wir uns das Essen beim auch noch freundlichen Dönermann um die Ecke nämlich schmecken. Diesseits der Empörung der meinungsbildenden Kollektivisten auf allen Seiten. Es gilt also nur ein wenig aufzuklären, hier wie dort, solange dazu noch Zeit ist. ---

Zu der Frage, was nun zu tun ist:
--- Statt im Wolkenkuckucksheim könnten Individualisten und Freihändler schlicht mit Wahrheit, mit Recht und mit Moral argumentieren. Denn diese befinden sich nicht auf der Seite der Heuchler. Freiheitsfreunde stehen in der guten publizistischen Pazifismus-Tradition der Freihändler und Manchesterliberalen, die immer glaubhaft für das Recht auf Meinungsfreiheit fochten. Ganz im Gegensatz zu den von altlinks zu neurechts oder neulinks nur scheinbar gewendet formulierenden heutigen Meinungsführern. Wirkliche Liberale könnten aufklären über die vielen Menschen weltweit, im Iran, in China oder in Deutschland, die in staatlichen Gefängnissen sitzen, nur weil sie öffentlich eine Meinung vertreten, die den Mächtigen des Landes nicht gefällt und dem herrschenden Glauben zuwiderläuft. Und die hier wie dort von einer speichelleckenden Presse hinterrücks verraten werden. (D)er Deutsche Demokratische Glaube ist bei vielen gar nicht mehr so gefestigt, wie es die Hohepriester in den Parteien und Medien gerne hätten. Die Ketzer Hohmann oder Möllemann waren so unbeliebt nun doch wieder nicht. Ja selbst die islamistische Revolution könnte ihren Höhepunkt in dem Moment schon überschritten haben, in dem das glänzende Beispiel des Arabischen Kapitalismus und Minimalstaates von Dubai in die Nachbarländer hinüberscheint. Es könnte sein, dass die politische Klasse und ihre Hofschreiber deshalb heute so aggressiv auf allen Seiten den Kulturkrieg ausrufen, weil sie ahnen, dass ihnen schon kaum mehr jemand zu folgen bereit ist. In diesem Sinne: Auf die weitverbreitete Politikverdrossenheit und den Unmut der vielen, die sich nicht mehr aufhetzen lassen! ---

Der zweite sehr, sehr gute Beitrag Rosenbaums behandelt den Skandal um die Leipziger Buchmesse und wie die „Junge Freiheit“ dank ihrer Unterstützer ihre von der Messeleitung geplante Ausgrenzung verhinderte. Auch hier wieder ein längerer Auszug:

--- Der Bogen war angespannt bis kurz vor dem Zusammenbrechen. Waren es in den 70er Jahren noch wirkliche Nazis, deren Zeitungsvertrieb von Kiosken einfach abgelehnt wurde, so waren dies in den 80ern bereits etwa die bieder startenden Republikaner, denen man Hallen einfach nicht vermietete. In den 90er Jahren wurde dann Manfred Brunners Bund Freier Bürger mit der Faschismuskeule und ähnlichen Mitteln ausgegrenzt. Da traf es erstmals auch Liberale. Alles, was der politisch korrekten Meinungsmacht nicht gefiel, wurde als „neofaschistisch“ denunziert und ausgesondert. Die vereinte Medienfestung zur Propagierung all dessen reichte von der „Jungen Welt“ über die „taz“ und „Faz“ bis hin zu „Bild“ und „Welt“. Martin Hohmann etwa wurde vor allem von den beiden Springerzeitungen zu Fall gebracht. Die Politische Korrektheit übertraf noch orwellsche Vorwarnungen, wenn etwa wochenlang die „Bild“-Zeitung gegen einen älteren und biederen Abgeordneten hetzte, indem sie den freundlichen und zurückhaltenden Herrn mit roten Riesenlettern täglich als „der Hetzer“ vorführte. Er hatte nie eine Chance auf Gegenwehr. (...) Am Ende schwammen auch vermeintlich liberale Meinungsführer im Strom mit und mieden die Ausgestoßenen, die immer mehr wurden und dabei immer weniger „rechts“ waren. Eines der Opfer war seit Jahren die nationalkonservative Wochenzeitung „Junge Freiheit“. (...) Auch hier weigerten sich plötzlich Kioske oder Vermieter. Und in der Öffentlichkeit gilt es, dass bestimmte Zeremonien mitgespielt werden müssen. Das äußert sich dann etwa so, dass sich FDP-Generalsekretär Niebel zu einer öffentlichen Entschuldigung gezwungen sieht, weil er vor Jahren mal einen Gastkommentar beisteuerte, „ohne gewusst zu haben, um was für eine Zeitschrift es sich da handelte“. Ist solch eine Peinlichkeit von außen betrachtet noch eher amüsant, so trifft dies weniger zu, wenn auf die Drukkerei der Zeitung Brandanschläge verübt werden und fast die gesamte Mainstreampresse dies in Schweigen hüllt. Zuletzt erfuhren wir Ende Januar, dass die Leitung der Leipziger Buchmesse die „Junge Freiheit“ von der Teilnahme ausgeschlossen hat. Nicht weil von ihr irgend eine Gefahr ausgeht, sondern weil linke Gegner diesen Stand stören könnten und deshalb die Sicherheit nicht gewährleistet sei. (...) Solcherlei Ausschluss ist man seit Jahren gewohnt und man fragt sich lediglich, wen trifft es als nächstes? Wann sind Liberale und Libertäre an der Reihe, für vogelfrei erklärt zu werden? Es war alles nur eine Frage der Zeit. Bis nun ein kleines Wunder geschah – durch beherztes Eintreten einiger mutiger Menschen, die im Moment des größten Gegenwindes dagegenhielten. Allen voran drei Medienmänner: Der ausgewiesene Liberale und Gründer sowie Herausgeber des „Focus“, Helmut Markwort. Der nationalkonservative Götz Kubitschek, der mit seinem Institut für Staatspolitik die Theoriezeitschrift „Sezession“ herausgibt und der als Verleger des Antaios-Buchverlages gemeinsam in Leipzig mit der „Jungen Freiheit“ ausstellen wollte. Und der Gründer und Herausgeber der „Jungen Freiheit“ selbst, Dieter Stein. ---

Lest in dem hochspannenden Artikel doch selbst weiter, wie standhafte, couragierte Journalisten eine peinlich bigotte Pressekonferenz kippten, wie eine ins Totalitäre gleitende Politische Korrektheit an diesem Tag zu einem ersten knirschenden Halt gebracht wurde, warum der 10. Februar 2006 insofern eine kleine Zäsur für die Freiheit in unserem Lande darstellt – und inwiefern sich nur der Springer-Verlag mal wieder bis auf die Knochen blamierte: „Markwort, Kubitschek, Stein und die anderen stritten um ihre ganz realen Möglichkeiten des Vertriebs und der Werbung. Bestimmte Auffassungen – mehr und mehr auch betont liberale – wurden mit Mitteln der `political correctness´ immer erfolgreicher ausgegrenzt. Verträge mit den Aussätzigen machte man lieber nicht, wollte man sich nicht selbst in die Gefahr des Rufmords begeben. Der immer dreistere vereinte Machtanspruch der Neosozialisten und Neokonservativen wurde nun am 10. Februar erstmals erfolgreich von Altkonservativen in Frage gestellt. Dafür sollten auch alle Liberalen und Libertären dankbar sein. Sie wären nach der bisherigen Logik der `political correctness´ als nächste an der Reihe gewesen.“ Und das ist genau der Grund, warum auch ich als Noch-nicht-mal-Konservativer die „Junge Freiheit“ und ihr Umfeld mit Nachdruck unterstütze. Weil ich diese Methoden des politisch korrekten Rufmords selbst gründlich analysiert und in den verschiedensten Zusammenhängen oft genug auch am eigenen Leib erfahren habe. Und weil es in diesem Land schon mehr als genug Duckmäuser und Feiglinge gibt.