Donnerstag, Januar 19, 2006

19. Januar 2006

Am Vorabend des Irakkriegs 2003 saß der Historiker Michael Wolffsohn in der NDR-Polit-Talkshow „Talk vor Mitternacht“ und schwadronierte nicht nur von den angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins, er ließ auch Projektionen an die Wand werfen, denen zufolge Saddam über Raketen verfügte, um mit seinen Waffen selbst Mitteleuropa zu bedrohen. (Normalerweise gehörte es nicht zum Ablaufschema dieser Sendung, dass irgendwelche Projektionen an die Wand geworfen wurden, aber für Bedrohungsszenarien und Kriegsreklame machte man damals anscheinend schon mal eine Ausnahme.) Nachdem es nun im Irak das eine oder andere Gemetzel gegeben hat und keine Spur von Massenvernichtungswaffen aufgetan werden konnte, habe ich von Wolffsohn nicht einmal so etwas wie ein kleines „Hoppela“ vernommen.

Inzwischen ist der Irak glücklich „befriedet“, und als nächstes steht der Iran auf der Liste. Wie aber kann man auch hier kriegsfördernde Ängste vor Massenvernichtungswaffen schüren, ohne dass sich die Leute vor Lachen auf die Schenkel klopfen oder gar mit einem gelangweilten „Kennen wir schon“ abwenden? Eine recht raffinierte rhetorische Strategie hat Niall Ferguson, der auch sonst die Amerikaner bei der Etablierung ihres Imperiums für nicht „zupackend“ genug hält, für die „Welt“ entworfen: Er tut einfach so, als schriebe er seinen Artikel aus der Zukunft und werfe einen Blick zurück in die unselige Gegenwart, als es zum Weltenbrand kam, weil die Blödheinis aus der Friedensbewegung und die europäischen Staatsmänner einfach nicht einsehen wollten, dass den Mullahs ordentlich eins auf die Fresse gehörte. Was man halt so an Angstgebäuden hochziehen muss, wenn man Menschen zu einem militärischen Angriff in Stimmung bringen möchte.

Jenseits von Fergusons hysterisierender Angstmacherei erklärt uns heute der international vielleicht renommierteste israelische Militärhistoriker Martin van Creveld (der sich natürlich auch schon als Antisemit beschimpfen lassen musste) auf sachlicher Ebene, wie die Situation aussieht, welche Optionen nüchtern betrachtet sinnvoll wären und welche nicht.