Sonntag, Juli 24, 2005

24. Juli 2005

Mal wieder “Sabine Christiansen” gesehen. Als Rezensent aktueller politischer Bücher und Mitarbeiter eines in weiten Teilen neolibertären Magazins kenne ich ja nun die Argumente beider Seiten und muss sagen: Dauert nicht lang und auch ich wähle Oskar und seine neue Linkspartei. Zum einen kann jemand, der gegen SPD, CDU, „Zeit“, Madame Christiansen und die deutsche Beteiligung bei Angriffskriegen zugleich antritt, nicht vollkommen falsch liegen. Wenn ich noch ein einziges Arschgesicht Lafontaine einen „Demagogen“ nennen höre, nur weil er eine andere Auffassung als die Leute vertritt, die unser Land überhaupt erst in diese Pleite reingetrieben haben, ist meine Wahlentscheidung getroffen. Gott, was müssen manche Leute eine Angst vor diesem Mann haben! Zum anderen geht mir dieses ständige Gejeier von top-verdienenden Journalisten wie Jörges und Co., wir könnten uns diesen Sozialstaat angeblich nicht mehr leisten, allmählich wirklich auf die Eier. Putzig: Kaum formiert sich links eine neue Kraft, entwirft Rot-Grün ein sozialfreundliches Wahlprogramm, das sich von ihrem Regierungsprogramm dermaßen unterscheidet, als wären die Damen und Herren die letzten sieben Jahre in der Opposition gewesen. Was ich im übrigen auch nicht mehr hören kann, ist dieses ständige Gefasel, man müsse die Einkommensmilliardäre mehr unterstützen, damit sie auch weiter in Deutschland investieren und neues Wachstum entstehe. Hat die Nummer in den letzten Jahren denn funktioniert? Warum befreien wir Siemens und Mercedes-Benz nicht gleich vollkommen von Steuern und schieben ihnen noch zusätzlich jährlich ein paar hunderttausend Euro in den Hintern, damit sie nur ja nicht ins Ausland gehen? Das Geld könnte man ja aus den Sozialkassen wieder reinholen … Nein, tut mir Leid, Regierungspartei werden Oskar und Gysi ja ohnehin auf keinen Fall werden, aber als soziales Korrektiv sind sie offenbar notwendig und wertvoll wie noch nie.

Mittwoch, Juli 20, 2005

19. Juli 2005

Ich geh zwar ganz gerne in Superhelden-Filme, aber in der Regel ohne große Vorerwartungen. Zu viele davon gerieten in letzter Zeit eher misslungen („Daredevil“, „Elektra“, „Catwoman“, „Hulk“, „Punisher“ etcetera). Auch „Batman Begins“, von dem die Fans so hingerissen waren, dass ihn die imdb auf Platz 114 der besten Filme aller Zeiten listet (was für ein Unfug!), konnte mich eher nicht begeistern. Heute abend war ich in der neuen Fantastic-Four-Verfilmung und entgegen den Stimmen der meisten Kritiker war ich hochzufrieden mit dieser Adaption: Der Charakter der Hauptfiguren in den ersten, sagen wir, 50 Heften der Serie ist voll getroffen und damit auch die Seele der frühen Serie. Man ist den wichtigen Nebenfiguren wiederbegegnet (Doctor Doom natürlich, aber auch Stan Lee als Willie Lumpkin und Alicia Masters, jetzt als Schwarze). Die wichtigen Versatzstücke kamen unter, ohne dass es wie ein bloßes Abspulen aussah: von dem Kampfspruch „Jetzt geht´s rund!“ (im Original „It´s globberin´time!“) über Johnny, der im freien Fall zur menschlichen Fackel entflammt, bis zu Reed, der sich im Streit um Benjy wickelt. Comedy und Drama standen im richtigen Verhältnis zueinander, und die Spezialeffekte fand ich angemessen überzeugend, um nicht zu sagen: ziemlich cool. Kritiker könnten zwar zu Recht einwenden, dass beim besten Willen keine Spannung aufkam und auch der Showdown reichlich lahm war. Wenn man denkt, jetzt könnte es eigentlich richtig losgehen, ist der Film schon vorbei. Die Handschrift des Autors Mark Frost („Twin Peaks“) erkennt man insofern nicht gerade wieder. Aber mein Gott, es handelt sich um eine Origin-Story, und der zweite Teil der X-Men war auch deutlich besser als der erste. Das war ein gelungener Set-Up für eine ganze Reihe eskapistischer Feelgood-Filme im Popcorn-Kino, und die Palette an leinwandtauglichen FF-Comic-Gegnern ist von Annihilus über die Skrulls bis zu Galactus ja sehr reichhaltig. Für mich muss nicht jeder Film nervenzerfetzend oder hochgeistig oder von feinfühlig gezeichneter Charakterentwicklung getragen sein: Bei den FF bin ich ähnlich wie bei Spider-Man und den X-Men gerne wieder dabei.

Hm, interessant: Wie ich gerade sehe, scheinen Comic-Book-Fans den Film generell weit besser zu beurteilen als Filmkritiker außerhalb der Fanszene. Offenbar haben wir eine spezielle Form von Geschmack … :-)

Sonntag, Juli 10, 2005

10. Juli 2005

Es ist schon ein faszinierendes Gefühl für einen Autor, wenn er dazu beiträgt, ein Thema zu setzen, das dann sogar im akademischen Bereich zigfach aufgegriffen wird. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass vor ein paar Jahren selbst mein damaliger Artikel über männliche Opfer häuslicher Gewalt in der kleinen Frankfurter Zeitschrift NOVO bei einzelnen Redaktionsmitgliedern auf große Skepsis stieß und mir natürlich rasch die Kriminalitätsstatistiken entgegengehalten wurden. Heute, ein paar Jahre später, scheinen dieses und andere von mir angerissene Themen insbesondere bei Nachwuchswissenschaftlern immer beliebter zu werden. Allein die neueste Berliner männer-news berichtet von zwei aktuellen Neuerscheinungen:
- Schwithal, Bastian: "Weibliche Gewalt in Partnerschaften. Eine synontologische Untersuchung." Inagural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster (Westfalen) vorgelegt von Bastian Schwithal aus Oldenburg 2004, ISBN 3-8834-3156-3.
- Koehler-Doebeli, Susanne: Häusliche Gewalt gegen Männer in heterosexuellen Partnerschaften. Diplomarbeit an der Fachhochschule Zürich, Hochschule für Soziale Arbeit. Zürich, April 2005.
Wenn aus dem Fachbereich Genderwissenschaft an unseren Unis immer weniger eine Die-Frau-als-Opfer-Wissenschaft wird, weiß ich, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe.
Die NOVO indes veröffentlicht noch heute mutige und zukunftsweisende Beiträge.

Freitag, Juli 08, 2005

8. Juli 2005

Einen aussagestarken Artikel zur Gleichtaktung der Medien bietet aktuell auch die linke Tageszeitung „junge welt“. Darin heißt es, dass die „deutsche Einheitspartei, die mit mehr als 98 Prozent im Bundestag `Hartz IV´ und Auslandseinsätze der Bundeswehr im Durchwinkverfahren verabschiedet“ habe, selbstverständlich auch über eine „Einheitspresse“ verfüge. Deren Moto sei offenkundig: „Wer gegen einen deutschen Krieg oder das Ausplündern von Krankenversicherten und Arbeitslosen öffentlich protestiert, kann nur Extremist, mit hoher Wahrscheinlichkeit Antisemit und Antiamerikaner sein und ist auf jeden Fall im `Gewerkschaftsstaat´ hängengeblieben, den es hier mal gegeben haben soll. (…) Im Osten sehen die Umfragen das Bündnis von PDS und WASG derzeit bei 30 Prozent, im Westen bei elf Prozent. Die Reflexe kamen schneller als es Pawlow vorgesehen hat: Lafontaine wurde vor zwei Wochen in der Zeit in `Oskar Haider´ umbenannt, am gestrigen Donnerstag kam auch der amtierende Außenminister endlich auf diese Metamorphose, und esoterisch wie der Spiegel veranlagt ist, konnte sich dort ein Beschreiber Lafontaines vorstellen, wie die Menschen am Ende der Weimarer Republik `verhext´ wurden. Froschkönig und Hitler sind fast dasselbe.“ Dieser Beitrag in einer dezidiert linken Zeitung belegt sehr gut, dass die Rechtsradikalismus- und Antisemitismus-Keule, die von Rot-Grün und seinem journalistischen Umfeld gegen den jeweils am bedrohlichsten erscheinenden politischen Gegner eingesetzt wird (erst die CDU, dann die FDP, dann wieder die CDU, jetzt die Linke Liste), nicht nur für Konservative eine ungeheuerliche Zumutung darstellt, sondern für die Demokratie insgesamt.

Donnerstag, Juli 07, 2005

7. Juli 2005

Gute Nachrichten für alle Journalisten des Landes, für die Pressefreiheit noch ein wichtiger Wert darstellt: Die Verfassungsbeschwerde, die die erzkonservative Wochenzeitung “Junge Freiheit” gegen ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens sowie gegen ihre Einstufung als „rechtsextrem“ eingelegt hatte, war nach langem Kampf erfolgreich. Die „Junge Freiheit“ selbst schrieb dazu in der Ausgabe der vergangenen Woche: „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bedeutet einen riesigen Triumph nicht nur für die JUNGE FREIHEIT, sondern für die Pressefreiheit insgesamt in Deutschland. Die Machtarroganz des NRW-Verfassungsschutzes, der als verfassungswidriges Kampfinstrument der 39 Jahre lang regierenden SPD mißbraucht worden ist, stellt nur die Spitze des Eisberges einer die demokratische freiheitliche Gesellschaft in unverschämter und unerträglicher Weise domestizierende Political Correctness dar. Karlsruhe hat hier einen bitter notwendigen Warnschuß abgegeben.“

Auch andere führende Zeitungen kommentierten diese Wendung. (Wegen des Zitatrechts können hier nur Passagen im Sinne einer vergleichenden Presseschau wiedergegeben werden; für den vollständigen Artikel bitte den Link anklicken. Häufig sind die Beiträge in Gänze lesenswert.)

So befand die “Neue Zürcher Zeitung”: „Die nordrhein-westfälische Praxis des Verfassungsschutzes im Kampf gegen angebliche intellektuelle Vordenker einer `Neuen Rechten´ war juristisch und politisch immer umstritten. Kritiker haben der am 22. Mai abgewählten rot-grünen Landesregierung vorgeworfen, ausgerechnet auf dem besonders sensiblen Feld der Pressefreiheit die Grenzen von Politik und Recht, von Parteiinteresse und Amtspflichten bewusst verwischt zu haben.“

Die FAZ meint dazu: „Verfassungsschutzberichte gelten gemeinhin als seriöse Quellen. Ihre Inhalte werden oft zitiert, als handele es sich um letzte Wahrheiten. (...) Daß aber sogar das Oberverwaltungsgericht des Landes meint, das Grundrecht der Pressefreiheit sei gar nicht berührt, wenn eine Zeitung unter der Überschrift `Rechtsextremismus´ geführt wird, sagt nichts Gutes über die Rechtskultur. Vor gut zehn Jahren, als die jetzt beanstandeten Berichte erschienen, wurde ein Brandanschlag auf die Druckerei der `Jungen Freiheit´ verübt - und weitgehend beschwiegen. Das sagt auch etwas über die Pressefreiheit, an die das Bundesverfassungsgericht nun wieder erinnert hat.“

Die Berliner taz kommentiert: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Aufnahme der Wochenzeitung in den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht ist eindeutig - und richtig. Das Label `rechtsextrem´ für das extrem rechte Blatt hat ausgedient. Man braucht es auch nicht: Von der `Rechtspostille´ über das `Organ der Neuen Rechten´ bis zur `rechtskonservativen Zeitschrift´ gibt es genügend Umschreibungen für die Junge Freiheit. Doch wer hier bloß etikettiert, macht es sich ohnehin zu leicht: Ein markiges Label ersetzt nun einmal nicht die inhaltliche Auseinandersetzung.“

Die „Frankfurter Rundschau“ urteilt: „Es ist vielleicht kein großer, wohl aber ein nicht unbedeutender Tag für die Republik. Denn die Verfassungsrichter verlangen Demokraten etwas ab und warnen vor vorschnellen Etikettierungen. Sie bestehen darauf, nicht leichtfertig mit der Einschätzung umzugehen, etwas sei rechtsextrem. (...) Der genaue Blick in diese Zeitung macht deutlich: Es ist eine rechtspopulistische Gazette mit Hang zum Rechtskonservativen, Grenzüberschreitungen nicht ausgeschlossen. Diese Unterscheidung zwischen den Begriffen entfaltet ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der Klientel der Zeitung. Dahinter steckt kein kahl rasierter Nacken. Sie zielt auf gut ausgebildete, mittelständisch orientierte Menschen zwischen 30 und 45, denen zu Rechtsextremen eher `Bäh´ einfällt, die aber mit dem etablierten Parteiensystem nicht einverstanden sind, weil sich nichts bewege.“

Vieles auf den Punkt bringt schließlich die Online-Zeitung RBI-Aktuell: „Was blieb, war die Wut einer durchgeknallten Ultralinken sowie eines Teiles des Establishments, für die eine aggressiv verteidigte politische Correctness die letzte verbliebene Rückzugslinie ihrer einst sehr viel weiter reichenden linken Bestrebungen war. Damit ist jetzt Schluß und es dürfte letztlich auch für die Linke ein Gewinn sein, wenn sie wieder gezwungen wird, rational über bestimmte Probleme nachzudenken und auch so die Auseinandersetzung zu suchen. Doch dieser Erkenntnisprozeß dürfte noch einige Zeit in Anspruch nehmen , denn der Zusammenbruch aller linken Alternativmodelle seit Beginn der 80er Jahre hat den immer schmaler werdenden Rest der radikalen Linken zu einem bizarren Resthaufen degenerieren lassen, der sich mit großer Begeisterung gegenseitig zerfleischt und nahezu die gesamte `Normalgesellschaft´ für mehr oder weniger faschistisch, antisemitisch, völkisch oder patriarchalisch hält. Dabei war längst klar, daß die JF weder ein`Naziblatt´ noch sonstwie faschistisch war. Ideologisch verkörperte sie eher den Gegenpol zu 1968, eine Art Kulturkonterevolution, wenn man die 68er wirklich als Revolutionäre ansehen will.“

Bezeichnend ist mal wieder, wie viele Journalisten NACH dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts plötzlich Fans der Pressefreiheit und Gegner eines politisch festgelegten Index verbotener Schriften sind, während VOR diesem Urteil die Berichterstattung über die „Junge Freiheit“ grundsätzlich mit der Bemerkung verbunden war, dieses Blatt werde vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens als „rechtsextrem“ beobachtet: praktisch eine durchgehende Mediendiffamierung im Sinne von Rot-Grün. Und jetzt scheint es wie nach dem Fall der DDR: Auf einmal waren sie alle eigentlich schon immer mindestens im inneren Widerstand … Daran dass Meinungsfreiheit auch und gerade für die Meinung des Andersdenkenden gilt, musste erst wieder erinnert werden. Insofern freue auch ich als linksliberaler Journalist, der ich mich etlichen Artikeln in der JF inhaltlich in keinster Weise anschließen kann, über dieses Urteil sehr.