Sonntag, Dezember 11, 2005

noch 11. Dezember

Wer eben den Auftritt Daniel Schwammenthals bei Sabine Christiansen verfolgte, dem konnte schon das Gruseln kommen. Während der Reporter des „Wall Street Journals“ die meiste Zeit mit einem höhnischen Grinsen auf den Lippen schweigend dasaß, so waren seine Äußerungen um so erschreckender, wenn er einmal das Wort ergriff. Relativ unverhohlen plädierte er für eine offene Debatte darüber, ob im Kampf gegen den Terror die Folter von Tatverdächtigen ein rechtmäßiges Mittel sein könnte. Eine ähnliche Position hatte Schwammenthal bereits in einem nicht weniger üblen Artikel seines Magazins vertreten. Es war Gregor Gysi, der den Folter-Apologeten mit treffenden Argumenten zurechtstutzte: Welchen Wahnwitz treibt eigentlich eine Regierung, die Staaten wie Syrien wegen ihrer Missachtung der Menschenrechte als „Schurkenstaaten“ angreift, um genau diese beklagte Barbarei auszunutzen, um Tatverdächtige dort verhören zu lassen? Und was wäre, wenn nicht die USA, sondern ein Staat wie Uganda nichtsahnende deutsche Staatsbürger verschleppen, über Monate hinweg gefangen halten und misshandeln würde – müsste man dann auch auf Samtpfoten um das Thema herumtänzeln, um nicht eines „Anti-Ugandismus“ bezichtigt zu werden?

Nun brauchte es nicht erst Menschen wie Schwammenthal, damit bei Millionen von Deutschen inzwischen der Eindruck entsteht, dass sich die USA hin zu einem Folterstaat bewegen. Vielleicht sollte man da einmal mehr darauf aufmerksam machen, dass das nicht die ganze Wahrheit ist: This is not America - das ist vor allem die Regierung Bush. Die Gegenstimmen, die vor diesem Rückfall ins Mittelalter warnen, werden immer lauter. So macht die liberale US-amerikanische Wochenzeitschrift ”The Nation”, die zu den führenden Magazinen der Vereinigten Staaten gehört, in ihrer aktuellen Ausgabe diese beängstigende Entwicklung mit mehreren Artikeln zum Kernthema: „The new torture complex cannot be attributed to just a few rotten apples.“ heißt es dort. „Rooted in the White House and Pentagon, its branches extend to the Justice Department, political leaders, academics, medical professionals, media and ordinary soldiers.”

“The Nation” ist gottseidank nicht die einzige Publikation in den USA, die den gegenwärtigen Krieg gegen den Terror und seine Methoden scharf kritisiert. Das Magazin "Counterpunch" etwa vergleicht in einem Artikel über Condoleeza Rices orwellsche Sprachspielereien bei ihrer Europa-Tour die Praktiken der CIA offen mit denen der Gestapo. Da Deutschland oder Europa wohl kaum in der Lage sein dürften, bei der letzten verbliebenen Supermacht ein Einhalten der Menschenrechte durchzusetzen, bleibt hier nur zu hoffen, dass in dieser inneramerikanischen Kontroverse Moral und Aufklärung über eine Der-Zweck-heiligt-die-Mittel-Rhetorik siegen werden.