Sonntag, Dezember 04, 2005

4. Dezember 2005

Der Konflikt, der zwischen Michael Miersch und mir bislang im Internet ausgetragen wurde, findet jetzt in der neuesten Ausgabe von „eigentümlich frei“ seine Fortsetzung.

Zunächst einmal kommt Michael Miersch selbst zu Wort und nimmt bei seinen Attacken gegen mich kein Blatt vor den Mund: „Was mir fürchterlich auf den Geist geht, ist, dass Arne Hoffmann ständig betont, auch Israelis und Juden würden seine Ansichten teilen. Na und? (…) Der Hinweis ist nichts weiter als der Standardspruch aller Antisemiten. (…) Ich finde, dass bei Arne Hoffmann offensichtlich geworden ist, wie er tickt. (…) Zu behaupten, Israel bereite vermutlich einen Völkermord vor, ist Ressentiment und Hetze. Auch implizit immer wieder anzudeuten, Politik und Medien stünden unter einem übermächtigen mafiösen jüdischen Einfluss, ist Hetze.“

Hm. Ich erinnere mich an Zeiten in der deutschen Geschichte, in denen die Behauptung als „Hetze“ angefeindet wurde, die Nationalsozialisten würden einen Völkermord vorbereiten. Wenn ich so etwas in der Gegenwart bei welchem Staat auch immer befürchte, ist es natürlich nicht nur mein Recht, sondern sogar meine Pflicht, das auch so zu äußern. Was Mierschs Geschwafel von einem "mafiösen jüdischen Einfluss" angeht, bezweifle ich, dass er mein Buch „Warum Hohmann geht und Friedman bleibt“ gelesen hat, denn darin geht die Analyse in eine andere Richtung. Und wenn er schließlich suggeriert "Auch Antisemiten haben jüdische Kronzeugen, also ist jeder Sharonkritiker, der sich auch auf Juden und Israelis bezieht, ein Antisemit", greift Miersch deutlich zu kurz. Die von mir zitierten jüdischen und innerisraelischen Oppositionellen haben ja Gründe, warum sie die gegenwärtige israelische Regierungspolitik unter Sharon für mörderisch halten. Es sind einfach Menschen, die in Israel sehr nah am Geschehen sind, und deshalb muss man sich auf sie berufen dürfen, auch wenn sie Juden sind - und man danach in einer paradoxen Volte als Antisemit gilt.

Dass die Betreiber des Muslimmarkt andere Menschen angeblich mit dem Tod bedrohen, wie Miersch behauptet, ist übrigens in einem Gutachten des BKA widerlegt worden – allerdings erst nachdem die bloße Beschuldigung einen der Muslimmarktler den Job gekostet hat. „Wer hetzt gegen wen?“ fragt sich inzwischen nicht nur Thomas Immanuel Steinberg. Wie in anderen Fällen wird leider auch hier die Widerlegung einer Behauptung übergangen und der Vorwurf selbst frohgemut weiterkolpotiert. Über Mierschs andere Behauptungen sollte er vielleicht mit den Betreibern des Muslimmarkt selbst diskutieren, sobald er dafür handfeste Belege liefern kann. Nicht alles, was in den Medien munter behauptet wird, stellt sich bei gründlicher Gegenrecherche als fundiert heraus. „Auf den Internetseiten Muslimmarkt handele es sich in der Regel um moderate Texte“ zitiert etwa das Deutschlandradio den Türkeiwissenschaftler Klaus Kreiser.

Ich kann mich insofern des Eindrucks nicht erwehren, was einigen Leuten am Muslimmarkt in Wahrheit so gar nicht schmeckt, sind Seiten wie diese oder diese.

Aber zurück zum aktuellen Heft von „eigentümlich frei“: Natürlich nehme ich auch selbst darin in einem neuen Interview zu Mierschs Attacken gegen mich Stellung.

Nach „Anklage“ und „Verteidigung“ erfolgt in dieser Ausgabe schließlich eine Art „Urteilsspruch“ David Schahs, der mit den schönen Worten beginnt: „In liberal-libertären Kreisen geht es manchmal zu wie in einer Seifenoper.“ Wie wahr.

Die „nächste Instanz“ des Verfahrens eröffnet derweil Kaspar Rosenbaum mit einer allgemeinen Kritik am neuen Medium Blog bzw. wie einige Leute damit umgehen: „Mit eigenem Bog verwandelt sich selbst ein angesehener `Spiegel´- Journalist mit der Zeit zu einem hochaggressiven Troll. Hauptsache, heute schon andere Blogger beleidigt. (…) Und was man sich nie trauen würde, jemandem ins Gesicht zu sagen, wird im Internet eben mal in die Tastatur gehauen.“ Auch hier kann man nach den jüngsten Vorgängen nicht wirklich widersprechen.

Vorläufig abschließend zu dieser Debatte kann ich nur noch ein weiteres Mal Judith Butler zitieren: „Wenn wir aus Angst davor, als antisemitisch etikettiert zu werden, unsere Kritik begraben, überlassen wir denen die Macht, die den freien Ausdruck politischer Überzeugungen beschneiden wollen.“ Und das geht für liberale Autoren einfach nicht an.

Was übrigens meinen im Muslim-Markt-Interview geäußerten Appell angeht, nicht zuletzt die Muslime selbst müssten sich noch viel stärker gegen Terroristen und Extremisten engagieren, die unter dem Vorwand des Islam ihre Untaten begehen, fühle ich mich durch die Entwicklungen der letzten Tage sehr bestätigt. Diese Bemühungen sollten unterstützt und vorangetrieben werden.

Es gibt allerdings noch weitere spannende Artikel in der aktuellen Ausgabe von „eigentümlich frei“. So spricht sich David Schah in einem weiteren klugen Beitrag gegen jede Gesinnungsjustiz aus und fordert Meinungsfreiheit selbst für Auschwitzleugner. Na wenn DAS nicht mal wieder falsch verstanden wird! Und Alexander Markus Homes attackiert ein ganz anderes Redetabu – er wird interviewt zum Thema „Von der eigenen Mutter vergewaltigt“.

Kurz gesagt: Debatten, die anderen Medien zu heikel sind, finden sich noch immer vor allem auf den Seiten von „eigentümlich frei“.